Diabetes und Pressevisionierung

Als Typ 1 Diabetikerin muss ich täglich 180 Entscheidungen bezüglich des Diabetes treffen und mit 42 Faktoren klarkommen, die meinen Blutzucker beeinflussen. In diesem Blogpost nehme ich euch zu einer Pressevisionierung (PV) mit und berichte, was ich vor, während und nach einer PV entscheiden, im Kopf haben und vor allem umsetzen muss, damit ich den Film geniessen kann.

Bild von Daphne Chaimovitz an einer  Pressevisionierung

Vor der Pressevisionierung

Es kommt immer darauf an, wann die Pressevisionierung eines Films stattfindet. Ist sie am Morgen, dann muss ich «nur» darauf achten, dass auch ja die Alarme des Blutzuckersensors ausgeschaltet sind. Dies überprüfe ich sicher zweimal, damit ich nicht während dem Film erschrecke, wenn das Gepfeife losgeht. Wobei es für die anderen Journalisten sicher mal ein guter Einblick wäre, was die Lautstärke anbelangt, bei der ich in der Nacht bei einem zu hohen oder tiefen Blutzuckerwert geweckt werde.

Findet der Film über Mittag statt, dann nehme ich wie die anderen ein Mittagessen mit. Meist ein Sandwich. Doch mache ich es selbst zuhause und wäge die Kohlenhydrate ab oder kaufe ich eines unterwegs, bei dem die Kohlenhydrate angeben sind? Natürlich kann ich auch etwas ohne Nährwerttabelle kaufen, dann muss ich einfach noch einmal mehr überprüfen, ob der Blutzucker nach zwei bis drei Stunden wieder im Normalbereich ist. Meistens mache ich das Sandwich vorher selbst, dann muss ich auch nicht darauf hoffen, dass ich was veganes finde und es ist einfach ein Gedanke weniger.

Bild für das Mittagessen an einer Pressevisionierung

Falls der Film von Security-Leuten überwacht wird, damit wir ja keine Aufnahmen machen, erkläre ich ihnen vorab, dass ich Typ 1 Diabetikerin bin, auf meinem Handy mein Blutzuckerwert angezeigt wird und meine Insulinpumpe zwar aussieht wie ein Handy, aber ich damit keine Fotos oder Videos machen kann. Mittlerweile kennen sie mich schon. 😉 Was so easy klingt, wäre vor ein paar Jahren noch ein grosser Kraftakt gewesen, weil es mich viel Überwindung gekostet hat, meine Krankheit mitzuteilen. Manchmal habe ich, kurz bevor ich es in solchen Momenten sage, immer noch ein leichtes Herzflattern, weil ich zwar und zum Glück nicht in diesem Zusammenhang, aber leider sonst schon dumme Reaktionen bekommen habe.

Bild an einer Pressevisionierung

Während der Pressevisionierung

Es kommt immer darauf an, ob die PV am Morgen oder über Mittag stattfindet. Während ich am Morgen ein paar Mal checke, ob der Blutzucker ok ist oder ich korrigieren muss, sieht es über Mittag ganz anders aus. Die Filme beginnen meistens um 11.30 Uhr. Manchmal gebe ich gleich dann den Blutzucker und die Kohlenhydratmenge in die Pumpe ein. Dann muss ich 15 Minuten warten, damit der Spritzessabstand eingehalten wird. Nicht, dass der Blutzucker ein, zwei Stunden später ansteigt, weil das Insulin noch nicht gewirkt hat und man dann zusätzlich korrigieren muss. Das lenkt dann natürlich immer ein wenig vom Film ab, weil ich die 15 min ziemlich genau einhalten muss. Warte ich zulange, kann ich in eine Unterzuckerung fallen. Auch nicht toll.

Bild der Omnipod-Einstellungen an einer Pressevisionierung

Wenn ich bis um 12 Uhr warten will mit dem Essen, dann wäre die Injektionszeit 11.45 Uhr. Danach heisst es nach zwei Stunden schauen, ob der Blutzucker wieder einigermassen im Zielbereich (4,5 bis 7,0 mmol/l) ist. Falls dem nicht so ist, muss ich den Blutzucker korrigieren, sei es zusätzlich Insulin zu spritzen oder Traubenzucker einnehmen.

Bild von Traubenzucker

Nach der Pressevisionierung

Danach darf ich ja nicht vergessen, dass ich den Alarm des Sensors wieder einschalte. Sonst denkst du irgendwann, das ist ja ein ganz schön ruhiger Tag heute. 😉 Zwei bis drei Stunden nach dem Essen sollte auch der Blutzucker wieder im Zielbereich sein. Ansonsten muss ich ihn korrigieren. Manchmal kann dies auch noch während dem Film sein, je nachdem natürlich, wann ich gespritzt habe und wie lange der Film dauert. Natürlich spüre ich es meistens auch, wenn mein Körper in eine Über- oder Unterzuckerung geht. Mit dem Sensor und der Pumpe habe ich meine Werte aber immer im Blick und weiss zum Beispiel, wann ich gar nicht korrigieren muss. Früher hätte ich blutig messen und den Pen mit der richtigen Dosis aufziehen müssen. Sehr mühsam im dunklen Kino.

Ihr seht, das Leben mit Typ 1 Diabetes beinhaltet unglaublich viele Faktoren. Denken, denken, denken und dann abwägen, überlegen, erinnern etc. Es ist immer im Hinterkopf, immer da, 24/7, keine Ferien, keine Pausen. Bis auf die Geräte, die ihr manchmal sehen könnt, ist es eine versteckte Krankheit. Was ich bei einer Pressevisionierung alles beachten muss, ist nur ein Bruchteil dessen, wie mich die Krankheit den ganzen Tag über beschäftigt. Deswegen seid achtsam, urteilt nicht vorschnell über Menschen. Typ 1 Diabetes ist eine Autoimmunerkrankung, die nichts mit der Ernährung zu tun hat! Und ja, ich kann alles essen, ich muss einfach für die Kohlenhydrate spritzen!

Bild meines selbstgemachten Zitronenkuchen

Bilder: Daphne Chaimovitz

2 Kommentar

  • Georg Andreas Hildebrand 18/07/2023 at 4:07 pm

    Guten Abend Daphne, so hoffe ich doch, du konntest heute Vormittag „OPPENHEIMER“ voll geniessen. Georg (georghildebrand@bluewin.ch / 079 438 52 52)

    Reply

Kommentar verfassen