Interview mit Samuel Maoz

Der israelische Regisseur und Drehbuchautor Samuel Maoz (55) stellte seinen neuen Film «Foxtrot» am jüdischen Filmfestival Yesh vor. Er schilderte mir eindrücklich, wieso die israelische Bevölkerung nicht aus ihrem Foxtrot entkommt und was es braucht, damit sie ihr emotionales Trauma überwindet. Genau über diese Thematik geht es im Film.

Bild von Samuel Maoz

Wieso war es dir wichtig einen Film über dieses Thema zu drehen?
Die Wahrheit ist, du drehst für dich selbst. Mein erster Film Libanon erzählt über mein persönliches Trauma. Wie ich mich als zwanzigjähriger eines Tages in der Situation befand, Menschen zu erschiessen. Ich litt unter einer leichten posttraumatischen Belastungsstörung, nicht dass ich jetzt depressiv bin oder so, aber dies führte auch dazu, dass ich den Film erst mit 47 drehte und nicht mit 30. Als der Film veröffentlicht wurde, verstand ich, dass ich mit dieser Geschichte nicht alleine bin. Die israelische Gemeinschaft hat viel zu viele Versionen meiner Geschichte kreiert. Dann verstand ich wieso wir so agieren, wie wir agieren. Wir leiden alle an einem Trauma. Unser emotionales Gedächtnis wie dem Holocaust oder den Unabhängigkeitskriegen sind immer noch viel stärker als die Realität. Dieses Trauma geht von Generation zu Generation über und hält uns im Glauben von ständiger Gefahr zu sein, im ständigen Krieg. Aber durch unsere ganzen wissenschaftlichen Errungenschaften sind wir nicht mehr so in Gefahr. Unsere Nachbarstaaten sind nicht mehr unsere Feinde und die Besetzung ist nicht unbedingt eine Form von Krieg. Beim Film Foxtrot spreche ich vom Post-Trauma. Ich wollte eine persönliche Geschichte erzählen, die die Gemeinschaft miteinbezieht. Der Film geht um die offene Wunder der israelischen Bevölkerung. Jede Generation tanzt ihre Version des Foxtrot und kommt nicht davon los.Bild aus dem Film FoxtrotWie viel was du gezeigt hast, entspricht der Wahrheit? Ich denke da vor allem an die Szene, als der Bagger kommt und das Auto im Erdboden vergräbt.
Das hat mich am meisten überrascht. Es ist kein Dokumentarfilm. Es ist eine fiktive Geschichte und hat keinerlei Anspruch auf eine wahre Begebenheit. Gerade wenn du diese Szene nimmst, ist es nicht sehr wahrscheinlich, weil das Loch nur wenige Meter gegraben wurde. Aber genau über dieses Problem spricht der Film. Die Kulturministerin hat den Film schon kritisiert, bevor er herausgekommen ist und sie ihn gesehen hat.

Wie gehst du mit dieser Kritik um?
Ich bin nicht auf ihre Unterstützung angewiesen und es trifft mich nicht wirklich. Aber sie hat gegen mich gehetzt und ich bekam auch Drohungen per Email. Zum Beispiel mit meiner Adresse darin, dass sie wissen, wo ich wohne und sie draussen auf mich warten. Oder dass ich eine hübsche Tochter habe und sie bald nicht mehr so hübsch sein wird. Aber der Film hat die Öffentlichkeit aufgeweckt, dass wollte ich auch mit diesem Film erreichen. Die Ministerin hat genau das Gegenteil erreicht mit ihrer Kommunikation, jetzt spricht man viel mehr über den Film.

Machen dir diese Drohungen keine Angst?
Sicher, ich habe auch Anzeige erstattet. Was mir mehr Angst macht, ist, dass junge Israelis sich selbst zensieren. Wir haben immer noch eine starke Demokratie und es gibt keine wirkliche Möglichkeit einen Film zu zensieren. Aber das Leute dann beginnen zu denken, wieso sollte ich zum Beispiel so einen Film machen und mir die ganzen Probleme aufhalsen. Das finde ich beängstigend.

Wieso wolltest du Lior Ashkenazi als Hauptdarsteller?
Er war im richtigen Alter und am richtigen Punkt seiner Karriere. Es war die richtige Energie da und er wollte diese Rolle unbedingt.Bild aus dem Film FoxtrotHattest du den Cast schnell zusammen?
Es ging etwa drei bis vier Monate. Das Schwierige war, junge Israelis zu finden, die wirklich im Militär sein konnten. Ein Schauspieler in Israel beendet das Militär mit 21, dann geht er auf Reisen seinen Kopf befreien, erst dann auf die Schauspielschule und ist so mit 26, 27 fertig. Ich wollte junge Männer mit Schauspielerfahrung vor dem Militär oder solche die gerade damit angefangen haben. Das war die grosse Herausforderung.

Was ist deiner Meinung nach die Lösung zu diesem Problem?
Wir müssen anfangen das Trauma aufzuarbeiten. Es gab einen Visionär Yitzhak Rabin. Durch seine Ermordung wurde auch der Traum ermordet. Ich erinnere mich, dass er ein Interview gab in einer Nachrichtensendung ein zwei Wochen vor seiner Ermordung. Einer der Journalisten sagte, «Herr Rabin sie wissen, dass die Mehrheit der Bevölkerung nicht mit ihnen übereinstimmt». Rabin sagte, «die Mehrheit des Volkes hat unrecht.» Wir brauchen jemanden, der den Mut hat, der Mehrheit der Bevölkerung zu sagen, dass sie falsch liegen. Jemand der gegen den Strom schwimmt.

Kennst du eine Familie, der ähnliches passiert ist?
Jemand erzählte mir, dass dies ein- zweimal passierte, dass eine Familie die fälschliche Todesmitteilung bekam.Bild aus dem Film FoxtrotWelche Botschaft willst du mit dem Film vermitteln?
Ich bin politisch linksorientiert und glaube daran, dass dies die richtige Lösung ist. Ich liebe mein Land und aus diesem Grund habe ich diesen Film gemacht. Auch wenn mir die Kulturministerin etwas anderes unterstellt. Wir können nur wachsen, wenn wir gutes tun. Sonst tanzen wir wie im Foxtrot immer an Ort und Stelle.

Was wird dein nächstes Projekt sein?
Nichts über das Militär, damit habe ich abgeschlossen. Es wird ein emotionaler Film über eine Mutter und ihre Tochter sein. Ich überlege mir sogar ihn auf Englisch zu drehen.

Bilder: Daphne Chaimovitz, © Filmcoopi AG

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