Interview mit André Häfliger

André Häfliger (65) aus Luzern ist seit 40 Jahren Chefreporter bei Ringier. Am 6. September 2021 erschien sein Buch «Willkommen bei den Stars», in dem er über seine vielen Begegnungen mit Prominenten berichtet. Seine wohlwollende und hilfsbereite Art wird sehr geschätzt, deswegen weiss er auch so unglaublich viel über die einzelnen Personen in der Öffentlichkeit. Im Interview erzählt er mir, ob er schon immer Journalist werden wollte, über seinen Mentor Urs Heller und von seinem lustigsten Moment mit Trump.

Bild von André Häfliger

Wie bist du zum Journalismus gekommen? War das schon dein Traum als kleiner Junge?
Eigentlich wollte ich Lokiführer werden. Weil ich in der Schule sehr gerne Aufsätze geschrieben habe, habe ich als Gymnasiast im Luzerner Tagblatt über diverse Sportarten Berichte begonnen zu schreiben. In der Schweiz gab es gar keine Studienrichtung Journalismus, dafür musste man damals nach München. Deswegen war ich sehr froh, als ich beim Luzerner Tagblatt als Redaktor anfangen konnte. Jeden Tag bekam ich eine Seite, wo ich über Geschehnisse rund um Luzern berichtete. Schritt für Schritt habe ich diesen Beruf in der Praxis gelernt und bin gottenfroh darüber. Nichts gegen das Studium, aber dort werden Theoretiker ausgebildet, denen es an Praxis fehlt und die manchmal sogar daran scheitern.

Wie ging es mit deiner Karriere weiter?
Mein Mentor und Förderer Urs Heller hat mich immer nach einem Jahr an seinen neue Arbeitsort geholt, wenn es ihm gefallen hat. Nach seiner Zeit in Luzern war er Sportchef beim Blick, dann ging er zur Schweizer Illustrierten und ich folgte.

Mit 65 bist du im Pensionsalter, bleibst du Chefreporter bei der Schweizer Illustrierten?
Unbedingt. Ich bin einer von drei Menschen, die lebenslang für Ringier arbeiten dürfen. Die anderen sind Urs Heller, Chefredaktor von GaultMillau und Reporter Roger Benoit, der an 850 Grand-Prix Formel 1 Rennen dabei war. Das musst du dir mal vorstellen 850 Rennen! Das Schöne ist, ich muss nur noch das machen, was mir gefällt. Das bedeutet, ich bin nachwievor bei den gesellschaftlichen Anlässen dabei. Komischerweise will dies niemand wirklich machen. Ich finde dies gerade am spannendsten, weil du alles von Kultur, Sport, Politik und Wirtschaft dabeihast. 

Das hätte ich jetzt nicht gedacht, dass solche Anlässe nicht gerne abgedeckt werden.
Effektiv, ich versuche immer wieder junge Reporter mitzunehmen, aber nach etwa einem Monat haben sie keine Lust mehr. Ich kann natürlich verstehen, dass sie ihre Privatleben nicht aufgeben wollen, weil die Anlässe ja oft am Abend oder am Wochenende stattfinden. Mein Privatleben habe ich sehr vernachlässigt dadurch. Ich weiss ja nie, wann ich am Abend heimkomme. Im Prinzip müsste ich der Erste sein, der dort ist und der Letzte der geht.

Bild von André Häfliger und Adolf Ogi

Wie erholst du dich und tankst Kraft?
Mir macht meine Arbeit so viel Spass, dass ich sie auch erholsam finde. Das Wichtigste für mich ist, dass ich Zuhause Ruhe habe. Ich erhole mich beim Haushalt erledigen, der Gartenarbeit oder mit meiner Modelleisenbahn. Ich habe 31 Züge und neuerdings sogar eine Gartenbahn. Im Corona-Jahr habe ich die Eisenbahn aufgebaut und mein Buch «Willkommen bei den Stars» geschrieben, weil es ja gar keine Anlässe mehr gab. Jetzt freue ich mich umso mehr, wieder welche zu besuchen.

Oh ja, ich hoffe auch, dass es so bleibt.
Doch, ich bin zuversichtlich. Meiner Meinung nach ist das ganze Corona-Thema ein Medienproblem. Die Leute können es nicht mehr hören. Das Wichtigste beim Journalismus ist, zu wissen, was die Leute lesen wollen. Die Menschen interessiert es schlichtweg nicht mehr. Darüber habe ich auch gerade mit Bundesrat Alain Berset diskutiert. Normalerweise bringe ich ihm immer drei Mokka Joghurt mit, weil er die so gerne mag. Wegen Corona habe ich ihm keine mehr gebracht. Das fand er gar nicht toll.

Deine vertrauenswürdige und hilfsbereite Art wird sehr geschätzt. Das würde man nicht unbedingt von einem Gesellschaftsreporter erwarten. Wie konntest du sie gerade beim Blick bewahren?
Als ich beim Blick angefangen habe, hat mir der Chefredaktor gesagt: «Wenn Sie drei Mal etwas geschrieben haben, dass nicht stimmt, sind sie weg!». Das ist das oberste Gesetz des Boulevardjournalismus. Das Schöne dabei, man schreibt über das, was interessiert und spannend ist. Es ist der intensivste und teuerste Bereich des Journalismus. Ich bin ganz nah bei den Leuten, dazu gehört auch, dass ich sie mal rumfahre oder eine Schokolade mitbringe. Es ist ein Geben und Nehmen. Als Journalist willst du ja etwas von den Leuten, dann ist es vollkommen klar, dass man auch etwas gibt. Das hat für mich etwas mit Anstand zu tun.

Was ist dir bei deiner Berichterstattung wichtig?
Mir ist sehr wichtig, dass meine Berichte Inhalt haben. Michael Ringier sagt immer, bei Häusern ist die Lage wichtig, bei Berichten der Inhalt. Man muss etwas Relevantes erzählen. Ich will die Leute vor allem unterhalten. Ich habe kein Problem, wenn man mir Pausenclown sagt. Lieber als Cüpli André, weil Cüpli sowieso immer nur Rivella ist (lacht). Mein Ziel ist es, die Leser zum Lachen zu bringen und zu unterhalten. Sie interessieren sich nun mal, was die Prominente so machen und mit wem sie an die Anlässe kommen. Es ist ein bisschen die Befriedigung des Voyeurismus. Die Menschen sind neugierig und das ist auch ok.

Was wünscht du dir von deinen Lesern?
Ich wünsche mir, dass sie weiterhin meine Berichte lesen, Spass dabei haben und neugierig bleiben.

Bild von André Häfliger und Alain Berset

Welche Momente in deiner Karriere wirst du nie vergessen und weshalb?
Hautnah mitzuerleben, wie Roger Federer zum Weltstar wird, ist sehr imposant. Oder ein Bill Clinton, Putin oder auch Trump, obwohl er ein Löli ist, zu treffen, ist schon wahnsinnig bemerkenswert. Ich war auf den schönsten Inseln und an 105 Miss Wahlen. Das Geld hat man in gute und exklusive Berichterstattung investiert.

Die lustigste Geschichte hatte ich tatsächlich mit Donald Trump. 1998 war ich anlässlich der Miss Universe Wahlen, an der Tanja Gutmann teilnahm, auf Hawaii. Ich fragte Trump, weshalb er als Immobilienmogul die Miss Universe Organisation gekauft hat. Seine Frau Marla hatte ihm versprochen, wenn er es schafft die Miss Universe Wahlen nach Amerika zu holen und sie die Wahl moderieren darf, bleibe sie bei ihm. Also dachte er gut, dann kaufe ich denn ganzen Mist. Drei Monate später hat sie ihn trotzdem verlassen (lacht).

Was rätst du angehenden Journalisten?
Meine erste Frage ist immer, ob derjenige gerne Aufsätze in der Schule geschrieben habe. Wenn das nicht der Fall ist, dann ist er falsch und es wird eine Tortur. Man sucht sich am besten eine Regionalzeitung, weil die das Handwerk am besten vermitteln können. Das oberste Prinzip ist an einem Tag 20 Visitenkarten zu verteilen, sonst ist noch nicht Feierabend. Das Beziehungsnetzwerk ist das A und O! Ich gebe es auch zu, ich habe volle drei Jahre gebraucht, bis ich einigermassen drin war. Und das bedeutet nicht, die Handynummer des Medienberaters von Herrn Berset zu haben, sondern seine persönliche. Ich stelle auch gerne die Verbindung zwischen einem neuen Reporter und einem Prominenten her, aber die Nummer gebe ich nie direkt weiter. Es ist auch wichtig den Kontakt zu halten, deswegen telefoniere ich oft mit den Menschen oder sie rufen mich auch an – einfach, umzuhören, wie’s geht.

Wie ist die Idee zu deinem Buch «Willkommen bei den Stars» gekommen?
Marc Walder hat mich motiviert und mir dieses Buch zum 65. geschenkt. Das Buch ist lustig und sehr positiv, deswegen passt es super in diese doch eher negative Zeit. Der Verkauf ist erfreulich und ich denke, es ist ein schönes Weihnachtsgeschenk.

Was für Reaktionen hast du für das Buch bekommen?
Viele haben mich angerufen und haben sich amüsiert beim Lesen. Roger Federer hat sich auch schon gemeldet. Er und seine Frau Mirka haben grosse Freude daran und finden die Bilder sehr schön.

Gibt es auch Talente, die durch dich erst den Weg in die Öffentlichkeit gefunden haben?
Ja, ich habe zwei Prominente entdeckt. Xeno Müller, der Ruder-Olympiasieger und das Pferd Calvaro, dass die Silbermedaille gewonnen hat. Ein Schimmel, 1,82m gross wie Nadja Auermann. Der Reiter hatte so eine Freude über den Gewinn, dass er ihm zur Abkühlung eine Art Waschstrasse eingerichtet hatte. Ich rannte natürlich gleich runter und begrüsste Calvaro, der mich sofort wiedererkannt hatte. Dann sehe ich auf einmal ein Mikrofon von CNN und werde gefragt, ob ich der Besitzer sei (lacht). Ich antwortete, nein, aber vermutlich der grösste Fan. Meine Mutter hatte einen Lachkrampf, als sie dies im Fernsehen gesehen hat. Über Calvaro habe ich sicher 300 Artikel geschrieben. Normalerweise sitzt jeder Journalist schön brav auf der Tribüne, aber ich möchte auch bei den Stallungen sein. Deswegen war ich einmal Pferdepfleger, dann Pferdebesitzer, nur so erlebst du, was wirklich geschieht.

Wie weisst du, dass du dich zum Beispiel auch als Pferdepfleger betätigen musst, um an die wirklich guten Geschichten zu kommen?
Da musst du sehr nahe bei den Prominenten sein. Kontaktpflege ist alles.

Was wünscht du dir für den Journalismus?
Ich wünsche mir, dass der Journalismus wieder mehr Geld einbringt, die Journalisten beim Print bleiben und zusätzlich mehr Inserate geschalten werden. Durch mehr Einnahmen kann der gute und exklusive Journalismus ermöglicht werden. Ein grosser Wunsch ist ebenfalls ein bisschen mehr Qualität!

Bild von André Häfliger und Kofi Annan

Bilder: Marcel Nöcker, Eddy Risch, David Biedert, André Häfliger

1 Kommentar

  • Silvia 16/12/2021 at 8:58 am

    Super wie André Häfliger das macht – einfach keine Berührungsängste aber doch den nötigen Respekt!

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