Interview mit Peter Farrelly

Peter: «Ein Rassist kann sich ändern!».

Bild von Peter Farrelly

Ich treffe den amerikanischen Regisseur Peter Farrelly (62) im Hotel Baur au Lac in Zürich. Er stellt seinen neuen Film «Green Book» am Zurich Film Festival vor. Frisch von der Leber weg erzählt er, wie er zu der Geschichte kam, welche Botschaft er mit dem Film vermitteln möchte und die Zusammenarbeit mit den beiden Hauptdarstellern Viggo Mortensen und Mahershala Ali.

Der Film ist sehr humorvoll, hat aber auch Tiefgang, wie hast du diese Balance hingekriegt?
Ich wusste zuerst nicht, dass es lustig würde. Für zwei Jahre habe ich den Leuten erzählt, dass ich mein erstes Drama mache. Es ist eine Kombination von grossartigen Schauspielern und einer wahren Geschichte. Ich hätte es noch viel lustiger machen können, aber ich wollte mich an die Geschichte halten.

Was war für dich der Auslöser, bei diesem Film Regie zu führen?
Brian Currie erzählte mir, dass er an einem Drehbuch schreibt, basierend auf der Geschichte von Tony Lip, der Vater seines Freundes Nick Vallelonga. Tony fuhr einen schwarzen Pianisten 1962 an Konzerte in den Südstaaten und war eigentlich selbst ein Rassist. Ich fand, diese Geschichte phänomenal. Zwei Monate später rief ich ihn an und sagte, was ist mit dem Drehbuch. Er sagt, welches Drehbuch. Das, von dem du mir erzählt hast. Er sagt, sie hätten noch nicht angefangen. Ich fragte dann, ob ich es mit ihm schreiben darf. Er stimmte zu. Am nächsten Montag fingen wir an. Ich hatte Glück, ich war nicht auf der Suche nach einem Drama-Film. Ebenfalls war ich nicht auf der Suche, um etwas selbst zu schreiben. Aber der Sohn von einem Freund starb an einer Überdosis, was ein monströses Problem in den USA ist. Das Drehbuch zu schreiben, half mir, dies zu verarbeiten.

Bild vom 14. Zurich Film Festival

Spielte Mahershala alle Klavierstücke selbst?
Er spielte einige, aber nicht alle. Ich liess nach dem besten jungen, schwarzen Pianisten suchen und wir fanden Kris Bowers. Er sollte nicht nur spielen, sondern auch gleich die Musik komponieren. Er sagte zu. 

Aber ich habe zuerst die Frage falsch verstanden und gedacht, ob Mahershala wie Doc Shirley sei. Überhaupt nicht. Das war für mich sehr interessant an diesem Film. Weder Viggo noch Mahershala waren ihren Rollen ähnlich. Oftmals siehst du einen Film und der Schauspieler spielt eine Variation von sich selbst. Das war hier gar nicht der Fall.

Wieso hast du dich entschieden diesen Film jetzt zu veröffentlichen? Hast es etwas mit den Rassenproblemen in den USA zu tun?
Als ich die Geschichte hörte, fand ich, sie passt perfekt zur jetzigen Zeit. Wir befinden uns auf einem Rückschritt, was diese Rassenthematik angeht. Des Weiteren habe ich vorher noch nie vom Green Book gehört. Erst als ich diese Geschichte recherchiert habe, habe ich davon erfahren. 99% der Amerikaner wissen nicht, dass es dieses Buch gab. Selbst die Afroamerikaner nicht. Das waren für mich die Gründe.

Bild aus dem Film Green Book

Einer der letzten Szene im Restaurant zeigte, was da im Süden tatsächlich abging. Sie machte mich sprachlos. Wie war es für dich, all die Ungeheuerlichkeiten zu erfahren?
Ehrlich gesagt, war ich nicht überrascht. Ich drehte ein paar Filme in Atlanta. Atlanta ist eine grossartige, gemischte Stadt. An der Oberfläche sieht es so aus, als ob alle super miteinander auskommen. Bis du eines Morgens mit diesen gebildeten, weissen Typen zusammensitzt und auf einmal einer aus dem Nichts eine rassistische Äusserung macht, die dich vom Stuhl haut. Das muss sich ändern! Diese Art von Rassismus existiert, aber es geht nicht nur um die Hautfarbe. Auch Menschen mit Behinderungen leiden darunter. Wenn du niemanden in einem Rollstuhl kennst, hast du Berührungsängste, weil du nicht weisst, wie du mit ihm reden und umgehen sollst. Aber wenn du so jemanden triffst und mit ihm zu reden beginnst, merkst du, dass wir alle gleich sind. Es ist nur die Angst vor dem Unbekannten. Das ist die Botschaft dieses Films. Er soll die Menschen zusammenbringen und uns daran erinnern, dass wir alle gleich sind!

Führst du lieber bei wahren Geschichten Regie oder bei Fiktion?
Das ist eine gute Frage, ich habe nie darüber nachgedacht. Ich bin nicht sicher. Diese Geschichte ist zu gut, um wahr zu sein. Tony Lip hat tatsächlich den Cop geschlagen, das ist alles passiert.

Gab es auch Improvisationen oder wurde das Skript befolgt?
Es war meistens getreu dem Drehbuch. Improvisationen macht man eher bei Komödien.

Wie ist es für dich, wenn sich jemand dann doch nicht ans Drehbuch hält?
Das kann schlecht enden. Es gab Schauspieler, die wollten lustig sein und waren es nicht. Ich lasse sie es ausprobieren und pushe sie dann zurück zum Drehbuch.

Bild vom 14. Zurich Film Festival

Würdet Viggo, Mahershala und du wieder einen Film zusammendrehen? Mir hat dieses Zusammenspiel sehr gut gefallen. 
Gerne. Ich habe die zwei besten Schauspieler in meinem Film. Es war ein Segen, diese zwei an Bord zu haben. Als ich Viggo als Tony auf sicher wusste, schaute ich mich nach dem besten Schauspieler für Don Shirley um und kam auf Mahershala. Wieso auch nicht, er hatte ja gerade den Oscar gewonnen. Vielleicht hat er ja gerade Zeit (lacht). Ich habe angefragt und hatte Glück.

Mir hat der Film super gefallen! Danke, dass du diese Geschichte auf die Leinwand bringst.
Danke, das freut mich sehr. Speziell, wenn er Kritikern gefällt. Ich weiss nicht, wie man gute Kritiken bekommt. Ich habe eine Kritik von «Something about Mary» an der Wand hängen, die den Film komplett zerreisst. Deswegen schätze ich es sehr, wenn dir «Green Book» gefallen hat.

Bild vom 14. Zurich Film Festival

Bilder: Daphne Chaimovitz, © Ascot Elite Entertainment Group. All Rights Reserved.

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