Der amerikanische Regisseur Alfonso Gomez-Rejon (47) erlebte mit seinem neuen Film «The Current War» einige Hochs und Tiefs. Durch den Skandal um Harvey Weinstein, wurde auch er Opfer und musste einen neuen Produzenten finden. Im Interview spricht er offen über seinen Gefühlsausbruch, als er endlich seine Version dem Publikum im Kino vorführen konnte und weshalb Edison für ihn wie eine Kardashian ist.
Wieso wolltest du bei «The Current War» Regie führen?
Ich mag die Herausforderung, eine Geschichte über Demut versus Ego zu erzählen und im Arbeitsprozess auch mehr über mich selbst zu lernen. Die Idee, wie weit Menschen gehen würden, um in Erinnerung zu bleiben. Edison, der nicht nur wegen seiner Ideen, sondern auch wegen seinem Image, nicht in Vergessenheit geraten will. Wie eine Kardashian (lacht). Auf der anderen Seite Westinghouse, dem es nur um die Arbeit ging und nicht mal gerne fotografiert wurde. Diese Vorstellungen zusammen mit der Entwicklung der Elektrizität und der Ethik bei der Umsetzung von neuen Ideen und Innovationen, hat mich sehr fasziniert. Eine Folgerung aus dem elektrischen Licht ist der elektrische Stuhl. Eine Neuheit führt zur nächsten, das ist die Natur von Erfindungen. Normalerweise gingen Kultur und Erfindungen Hand in Hand und wir konnten uns daran gewöhnen. Heutzutage geht alles so schnell, dass wir uns schlicht nicht anpassen können. Bevor wir es überhaupt realisieren, wird unser Bewusstsein in die Cloud geladen werden (zwinkert).
Was denkst du, wäre passiert, wenn Edison Westinghouse wie abgemacht getroffen hätte und nicht einfach mit dem Zug an ihm vorbei gefahren wäre?
Das habe ich mich auch gefragt. Westinghouse hätte Edison sicher bei den Konsequenzen, die aus der Elektrizität resultieren, helfen können und gemeinsam hätten sie vielleicht auch Lösungen gefunden. Eine ethische Methode bezüglich der Todesstrafe und dem elektrischen Stuhl, die unvermeidlich war, aber wenigstens hätte man darüber eine Diskussion geführt. Vielleicht wäre der elektrische Stuhl auch umgangen worden, wer weiss. Vielleicht wäre es auch einfach ein nettes Abendessen und eine gute Geschäftspartnerschaft geworden.
Deiner Meinung nach wäre der elektrische Stuhl so oder so erfunden worden? Ich finde es so schlimm, weil Edison ja nie eine Tötungsmaschine erschaffen wollte.
Das Tragische ist, dass Harold P. Brown ein Menschenrechtsaktivist war, der eine humanere Form als Erhängen wollte. Leider hatte er nicht alle Informationen bedacht. Zusätzlich war noch dieser Krieg im Gange Westinghouse zu schlagen. Wenn sie Zeit gehabt hätten, genau darüber nachzudenken und Gespräche zu führen, hätten sie die Idee vielleicht wieder verworfen. Von dem Zeitpunkt als Edisons Frau verstorben war, übermannt ihn der Ehrgeiz, weil ihn niemand mehr erreichen konnte.
Wie hast du den Haupt-Cast ausgesucht?
Benedict war schon sehr verbunden mit der Geschichte. Dann kam der Prozess ins Rollen, wer ein guter Partner für ihn sein könnte. Ich liebe Michael Shannon, ich bin ein Fan von seinem schauspielerischen Talent auf der Bühne. Leute assoziieren ihn mit härteren, dunkleren Rollen und der Fakt, dass er jemanden spielen würde, der so überaus nett und grosszügig ist, überrascht sicher manchen. Katherine Waterston und Michael geben für mich das perfekte Rock ’n’ Roll Paar ab. Ich wollte auch, dass sich der Film gegenwärtig anfühlt und nicht etwas aus der Vergangenheit. Weil der Film etwas zeigt, dass in der Zukunft geschehen wird. Deswegen sollte dieses Paar eine gewisse Leichtigkeit ausstrahlen. Die restliche Besetzung folgte dann ganz leicht. Tom Holland kenne ich schon ein paar Jahre und als die Rolle des 21-jährigen Samuel Insull zu besetzten galt, war sie perfekt für ihn. Er war damals 20 und musste keinen Amerikaner spielen.
Wie war das Zusammenspiel zwischen Benedict und Tom, weil sie sich von den Avenger Filmen her kennen?
Sie sind beide sehr unkompliziert. Ich glaube nicht, dass sie schon zusammengearbeitet hatten, weil Tom erst den ersten Spiderman gedreht hatte und sie noch nicht als Avengers vor der Kamera standen. Aber das war kein Problem, es gab kaum Stress beim Drehen, weil sie beide sehr bodenständig sind.
Wie war es für dich diesen Film auf der Leinwand zu sehen, der über eine so massive Veränderung in der Geschichte spricht? War der Moment für dich auch episch?
Diesen Film zu drehen, war ein aufregende Reise mit viel Spass beim Drehen. Die Postproduktion war dann aber so schwierig und kompliziert mit vielen Hochs und Tiefs, auch aufgrund des Skandals um Harvey Weinstein. Leider gibt es andere Versionen des Films da draussen, was sehr traurig ist. Als ich endlich die Director’s Cut Version fertig hatte und ich sie letzte Woche einem Publikum vorführen konnte, war mir gar nicht bewusst wie viel Anspannung sich angesammelt hatte. Ich habe sicher eine halbe Stunde lang geweint. Manchmal muss man so hart kämpfen für seinen Traum. Aber am Ende war es der Kraftaufwand wert und ich bin sehr glücklich mit dem Film.
Einen Film zu drehen über Licht, Strom und die Elektrizität hat das deinen Blick auf diese Dinge verändert? Heutzutage können wir ja das Licht anmachen, wann immer wir wollen.
Definitiv, ich nehme diese Dinge nicht mehr als selbstverständlich wahr. Wir können die ganze Technologie nicht als selbstverständlich ansehen. Wie schon vorhergesagt, es wird noch so viel mehr geben, dass folgen wird. Die Technologie entwickelt sich so schnell. Vor 15 Jahren gab es kein Facebook. Was passiert wohl in fünf Jahren? Wir alle passten uns der Glühbirne an, dann der Klospülung, der Antibabypille und dem Penizillin. Mich nimmt es wunder, ob wir die psychologische Möglichkeit haben, uns überhaupt an die nächste Errungenschaft zu gewöhnen. Mich interessiert heute mehr, wer hinter einer Erfindung steht und was er oder sie für ein Mensch war.
Was hoffst du, dass das Publikum mitnimmt vom Film?
Hoffentlich sehen sie die Menschlichkeit zwischen dem Guten und Schlechten hinter einer Idee. Dass sie einen Geschichtsfilm gesehen habe, der nicht künstlich wirkte, sondern sie sich in diese Zeit zurückversetzt fühlten. Die faszinierende Geschichte dieser drei Männer und der starken Frauen, die die Welt verändert haben, ob sie es nun wussten oder nicht. Aber die Protagonisten müssen geahnt haben, dass das die Zukunft war. Dass alles möglich ist, für dich als Künstler oder Erfinder und du dann zweimal darüber nachdenken sollst, was wenn deine Ideen in die falschen Hände geraten.
Genau neben Edison und Westinghouse war Tesla auch ein wichtiger Teil der Geschichte. Er starb ganz alleine und mittelos. Wieso denkst du, passiert das so häufig, dass solche Genies vollkommen alleine sterben?
Das ist eine gute Frage. Im Fall von Tesla war das Problem, dass er 100 Jahre in die Zukunft sah. Keiner verstand, von was er sprach. Er war ein Gefangener seiner eigenen Intelligenz. Er hätte viel Geld und Arbeiter gebraucht, um seine Ideen zu verwirklichen. Selbst wenn er sich hätte Investoren verständlich machen können, wäre es zu jener Zeit kaum realisierbar gewesen.
Bilder: © Ascot Elite Entertainment Group. All Rights Reserved., Vittorio Flacco for Zurich Film Festival
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