Caterina Mona (48) aus Zürich ist eine Schweizer Filmregisseurin, Drehbuchautorin und Editorin. In ihrem ersten Spielfilm «Semret» öffnet sie den Zuschauern die Augen für geflüchtete Menschen aus Eritrea. Wie es war, den Film am Filmfestival Locarno uraufzuführen, was sie selbst für Berührungspunkte zu Eritrea hat und welche Botschaft die Zuschauer mit nach Hause nehmen sollen, erzählt sie mir im Interview.
Was hast du für einen Bezug zu Eritrea?
Als wir vor einigen Jahren in die Kalkbreite gezogen sind, gab es dort zwei eritreische Familien. Unsere Kinder haben sich angefreundet und so habe ich mich angefangen für das Land zu interessieren und wieso die Menschen von dort flüchten.
Mein Berührungspunkt ist ähnlich, ich bin selbst mit einer Familie aus Eritrea aufgewachsen. Warst du selbst in Eritrea?
Ja, als Touristin. Ich finde es wichtig, ein Gespür für die Menschen zu haben, wie sie sich im Alltag verhalten oder welche Kleider sie anziehen. Das Kostüm von Yemane ist sehr stark von der Kleidung der Männer vor Ort inspiriert. Hier tragen sie eher unseren Stil.
Beruht der Plot auf einer wahren Geschichte oder ist er so ein Mix von allem, was dir erzählt wurde?
Die Thematik zwischen Mutter und Tochter hat mich schon interessiert, bevor ich mich für Eritrea entschieden habe. Oftmals wird dieses Thema in Filmen angeschnitten, wie zum Beispiel im Dokumentarfilm «Cahier Africain» von Heidi Specogna. Als Mutter habe ich mir die Frage gestellt, was genau Mutterliebe ist, wie weit sie gehen und was sie alles überstehen kann. Dies habe ich dann mit den geflüchteten Menschen aus Eritrea zu einer Geschichte verbunden.
Wie bist du beim Drehbuchschreiben vorgegangen?
Es war ein langer Prozess. Zuerst bin ich nicht sehr systematisch vorgegangen, weil ich mich parallel dazu mit Kursen und Büchern in das Thema Drehbuchschreiben eingearbeitet habe. Beim nächsten Projekt ist die Vorgehensweise für mich schon viel klarer. Ich trage immer Notizbücher bei mir, so ergab sich eine grosse Sammlung an Szenen, Beobachtungen und Figuren. An einem gewissen Punkt habe ich auch realisiert, dass ich mehr Filme als Serien schauen muss, weil es eine andere Art ist, ein Drehbuch zu schreiben. Die ersten zwei Jahre dieses Filmprojekts waren ein Suchen, weil ich auch noch Filme geschnitten habe. Irgendwann habe ich gemerkt, wenn ich diesen Film wirklich realisieren will, muss ich mich nur darauf fokussieren. Dann wurde ich immer systematischer.
Hattest du eritreische Berater, die dir zur Seite gestanden sind? Für mich ist der Film sehr authentisch.
Ja, klar. Ich hatte mehrere Drehbuchberater*innen und eine davon war eine eritreische Frau, die als alleinerziehende Mutter eine gewisse Ähnlichkeit zu Semret hatte. Immer wieder habe ich ihr einzelne Teile der Geschichte erzählt, um abzuholen, ob sie realistisch sind. Es war mir wichtig, einen Einblick in den Alltag dieser Menschen zu geben, die genau die gleichen Wünsche und Träume haben wie wir.
Was war dir bei der Auswahl der Schauspieler wichtig?
Es gibt leider sehr wenig eritreische Schauspieler*innen, deswegen musste ich weltweit suchen. Für die Londonerin Lula Mebrahtu war es die erste Hauptrolle in einem Film. Sie ist eine mega spannende Frau und macht tausend verschiedene Sachen, wie Sängerin oder Performerin. Ich arbeitete mit der Schauspiel-Coachin Barbara Fischer zusammen, die verschiedene Tools für die Darstellung der Emotionen der zurückhaltende Semret aufgezeigt hat.
Für die Rolle der Tochter musste ich wegen Corona über Mundpropaganda gehen, weil die Jugendtreffs geschlossen waren. Hermela Tekleab ist beim E-Casting schon herausgestochen. Wirklich klar war es, als Lula und Hermela miteinander gematcht haben.
Wieso hast du den Zeitpunkt der Veröffentlichung jetzt gewählt?
Wir haben auf ein Festival und eine schöne Premiere gewartet. Auf die Piazza mit so einem Film, gibt natürlich ein grösseres, mediales Echo. Wenn du den Film fertig hast, willst du ihn endlich rausbringen.
Wie war die Vorführung in Locarno für dich?
Den Film mitzuschauen, war mega schlimm für mich (lacht). Man erlebt da die Reaktionen hautnah mit. Sonst war der ganze Tag super schön. Die Menschen waren interessiert am Film, Journalist*innen haben gute Fragen gestellt und ich konnte passende Antworten geben. Der Applaus war auch lange und danach hatten wir ein tolles Fest.
Was hast du für Publikumsfeedback bekommen?
Ich habe mich ein wenig davongeschlichen, aber viele haben mir zum Film gratuliert. Lula brauchte 20 Minuten für den Weg von 50 Metern von der Piazza zum Fest, weil ihr so viele Menschen Komplimente gemacht haben!
Ich finde es toll, dass man bei diesem Film die Geschichten der geflüchteten Menschen aus Eritrea erfährt, weil man sonst leider eher ein schlechteres Bild vermittelt bekommt. Hast du jetzt noch Kontakt mit den Menschen, die du aufgrund des Films kennengelernt hast?
Natürlich, vor allem mit den Frauen. Ich gehe auch gerne in dem eritreischen Restaurant essen.
Welche Botschaften sollen die Zuschauer mit nach Hause nehmen?
Offenheit und Menschlichkeit sind für mich das Wichtigste. Es tut uns allen gut, wenn wir offen durch die Welt gehen und versuchen positiv zu sein. Die meisten Menschen wollen nicht von ihrem Zuhause, ihrer Familie, ihren Freund*innen und dem Vertrauten weg. Die Menschen, die es geschafft haben, über so krasse Fluchtwege zu uns zu kommen, sind unglaublich stark! Dies darf man nicht unterschätzen. Wenn sie dann hier nicht arbeiten und sonst nichts machen dürfen, ist das enorm frustrierend.
Nach der ganzen Flucht werden sie hier erneut erniedrigt. Das ist nicht ok!
Absolut. Es sind Menschen wie wir, mit einem Herz und einer Seele, dass darf man nicht vergessen.
Bilder: © Locarno Film Festival, cineworx
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