Am diesjährigen Zurich Film Festival ging ein Traum in Erfüllung und ich durfte meinen Kindheitsstar aus der Serie «Kommissar Rex», Tobias Moretti (60), interviewen. Präsentiert hat der Österreicher den Film «Deutschstunde», in dem er den Maler Max Nansen spielt. Ich bin immer noch sehr beeindruckt von seiner präzisen Wortgewandtheit.
War von Anfang an klar, dass Sie die Rolle des Malers Max Nansen spielen?
Eine interessante Frage, weil wir gerade im vorherigen Interview darüber gesprochen haben. Für Regisseur Christian Schwochow war es klar, aber für die Produzenten und den Verleiher gab es die Möglichkeit, dass Ulrich Noethen und ich die Rollen tauschen.
Wieso wollten Sie diese Rolle?
Ich kannte das Werk von früher. Als ich dann das Drehbuch von Heide Schwochow gelesen habe, war es für mich so konzentriert, definiert und eine geniale, radikale und starke Form dieser Erzählung, zudem sehr bildgewaltig ohne dabei literarische Abstriche zu machen, da habe ich sehr gerne zugesagt. Ich finde, der Film ist sehr gelungen. Ein homogenes, fast hermetisches Meisterwerk.
Wie sehen Sie Max Nansen?
Max hat sowohl Stärke als auch Kalkül, was ihn eben nicht in die moralische Überlegenheit entlässt. Auch er instrumentalisiert das Kind um weiter zu malen. Dann ist da diese ganz merkwürdige Situation des Umbruchs der Kriegszeit zur Nachkriegszeit. Obwohl nun alles anders ist, bleiben die Verhältnisse doch irgendwie gleich. Max wird dann aber als grosser Held mit seinen Bildern gefeiert. Dieser Film entlässt keine Figur aus ihrer Fragwürdigkeit, wenn es um Angst und Kalkül geht.
Wieso glauben Sie, dass Menschen wie der Maler Max, die eine Passion haben, trotz einem Verbot nicht aufhören oder aufhören können?
Das ist ja der Grund letztendlich der Geschichte. In der deutschen Kritik gab es eine große Diskussion darüber, dass der Protagonist der Maler Emil Nolde sei. Dabei hat Siegfried Lenz schon seinerzeit darauf hingewiesen, dass Nansen eben NICHT Nolde ist. Es kann ja nicht eine Geschichte zwischen zwei Nazis sein, wo der eine dem anderen Berufsverbot erteilt, das ergibt keinen Sinn. Max Nansen ist ein Maler des deutschen Expressionismus, der sich völlig über dieses Künstlerdasein definiert. Wenn man so jemanden Berufsverbot erteilt, ist es wie ein seelisches Todesurteil.
Was hat es mit den vielen toten Tieren auf sich?
Das ist ein expressionistisches Mittel der Darstellung und natürlich auch eine Metapher. Diese Möwen sind aggressive Tiere, die glaube ich, auch in solidarischer Tötungsabsicht funktionieren und ihre eigenen Artgenossen auffressen, wenn sie verenden. Da gibt es eine unglaubliche, archaische Struktur. Deswegen hat dies Schwochow benutzt. Letztendlich ist es auch die Situation der Innenwelt, der Tod.
Wie war die Stimmung am Set?
Die war grossartig, sehr genau und gradlinig. Da kann man sich sehr auf Christian Schwochow verlassen, weil er jemand ist, der eine ganz tiefe Ruhe und Konzentration am Set schafft. Er versteht auch, dass man als Schauspieler einen gewissen Interpretationsspielraum braucht.
Diese Geschichte wurde 1968 veröffentlicht, könnte aber genau so gut von heute sein. Wieso glauben Sie, ist es so wichtig, dass man diesen Film jetzt in die Kinos bringt?
Das finde ich auch! Wir leben in einem Europa, in dem es unübersehbare Tendenzen zu Radikalität und radikalisierenden Gesellschaften gibt. Gerade da ist es umso wichtiger zu zeigen, wie schnell eine Gesellschaft kippen kann.
Welche Botschaft des Films würden Sie sich wünschen, dass die Zuschauer mit nach Hause nehmen?
Der Film ist voll von Botschaften, dass man irgendetwas davon mit heimnimmt, wird unvermeidbar sein.
Sie haben ja schon ganz viele, unterschiedliche Charaktere gespielt. Nach welchen Kriterien suchen Sie sich Ihre Rollen aus?
In letzter Zeit und in den letzten Jahren passieren mir immer wieder Konstellationen, aus denen teilweise besondere Filme oder Theaterprojekte entstanden sind. Manchmal fügen sich ein wunderbarer Regisseur, ein besonderes Thema und eine besondere Rolle zusammen, das ist dann eine besondere Freude.
Vielen Dank, das Interview hat mir grosse Freude gemacht!
Bilder: Georges Pauly, © 2019 Filmcoopi AG, Thomas Niedermueller/Getty Images, Daphne Chaimovitz
Liebe Daphne,
Vielen Dank für diese sehr interessant Interview !
LG
Françoise
Liebe Françoise
Vielen Dank, das freut mich sehr!!!! 🙂