Interview mit Viggo Mortensen

Viggo Mortensen (60) ist ein überaus talentierter und wandelbarer amerikanischer Schauspieler. Im Film «Green Book» verkörpert er Tony Lip, der ungewollt mit Doc Shirley auf eine Reise geht und dabei seine eigenen Vorurteile überwindet. Obwohl ich vor dem Film nachgeschaut habe, musste ich mich erneut vergewissern, dass Viggo keine italienischen Wurzeln hat – so überzeugend ist sein Akzent, ja sein ganzes Auftreten.

Bild vom 14. Zurich Film Festival

Im Interview berichtet er mir, dass er noch nie einen New Yorker gespielt hat, obwohl er dort geboren ist. Während er an seinem Mate-Tee nippt, spricht er auch über seine Zweifel, die Rolle anzunehmen und die Zusammenarbeit mit Mahershala Ali. Er wirkt ruhig und besonnen, so als ob er alle Zeit der Welt hat und sie mir gerne für dieses Interview widmet.

Hattest du die Geschichten der Beiden vorher gekannt?
Nein, ich las die Geschichte und traf dann Nick Vallelonga, der Sohn von Tony. Dann traf ich weitere Familienmitglieder und Freunde und besuchte auch das italienischen Restaurant Tony Lip in New Jersey, welches von Frank geführt wird. Sie zeigten mir viele Fotos, Audios und Videos, damit ich viel über Tony und seine Freundschaft zu Don Shirley erfahren konnte. So wuchs ich in die Rolle hinein.

Bild aus dem Film Green Book

Hattest du die Geschichten der Beiden vorher gekannt?
Ich wusste, wie viele Leute, viel aus Filmen. Ich wurde in Manhatten geboren, durch die Arbeit meines Vaters sind wird dann sehr früh nach Argentinien gezogen, wo ich die erste Zeit meines Lebens verbrachte. In Argentinien gibt es viele Italiener, deswegen kannte ich die Sprache und Kultur. Dies half mir ein bisschen. Nach dem Film habe ich realisiert, dass ich noch nie eine Person aus New York City gespielt habe, obwohl ich da geboren bin. Nun kann ich sagen, ich habe es. Ich musste viel lernen und war ein wenig nervös, dass ich es nicht korrekt umsetze. Ich wollte keine Karikatur spielen, sondern eine reale Person. Durch die Zeit mit Tonys Familie und Nicks Präsenz am Set, hatte ich immer die Möglichkeit rückzufragen, ob ich jetzt genau so esse wie Tony etc.  

Wieso hast du dich für diesen Film entschieden?
Weil mich Pete dazu überredet hat (lacht). er ist sehr überzeugend. Aber im Ernst, ich liebe das Drehbuch, es ist eines der besten, das ich gelesen habe. Es gibt viele italienisch-amerikanische Schauspieler, ich wollte es nicht falsch machen. Es ist ein grossartiges Drehbuch, super Charaktere und lustige Interaktionen. Ich fragte Pete dann, ob er nicht ein italienisch-amerikanische Schauspieler wollte, der dies schon authentisch verkörpert. Er verneinte, er wolle nicht das Offensichtliche. Die Zuschauer sollen der Geschichte Beachtung schenken und nicht den Schauspieler aus einem anderen italienisch-amerikanischen Film wiedererkennen. Das war sehr gescheit. Es ist natürlich eine grössere Herausforderung für einen Regisseur, wenn einige andere Charaktere gar keine Schauspieler sind. Der Bruder von Tony Lip, spielt meinen Vater im Film zum Beispiel.

Bild vom 14. Zurich Film Festival

Tony Lip ist eine beachtliche Erscheinung, wie verlief die Transformation?
Klar, kann die Maske viel machen. Bei diesem Film war es aber auch so, dass viel gegessen wurde und dies aus verschiedenen Blickwinkeln gedreht wurde. So nahm ich automatisch zu und hatte Spass daran. Ich habe noch nie so einen Charakter gespielt, der so viele humorvolle Aspekte hatte. Wie ich gesagt hatte, als Peter mich zum ersten Mal gefragt hatte, war ich nicht sicher, ob ich die Rolle annehmen sollte. Alle sagten aber, du kannst das spielen. Es sind auch viel mehr Dialoge als in meinen anderen Filmen. Als ich mich eingearbeitet hatte, fing ich es an zu geniessen. Ich bin glücklich Tony Lip spielen zu dürfen. Ich denke, es ist gut, wenn du als Schauspieler aus deiner Komfortzone genommen wirst. Dies ist auch die Geschichte von «Green Book», beide Charaktere müssen sozial und kulturell aus ihrer Komfortzone raus. Beide erweitern ihren Horizont und lernen voneinander.

Hast du vorher schon vom Green Book gehört?
Nein, habe ich nicht. Ich denke, viele Leute, sogar dunkelhäutige, haben nie etwas davon gehört. Der Film spielt 1962 und 1963 war Civil Rights Act, kurz danach wurde die Produktion des Green Books eingestellt. Ich hatte aber die Gelegenheit das Kinderbuch «Ruth and the green book» zu lesen, dass von einem afro-amerikanischen Mädchen handelt. Es ist aus der Perspektive des Mädchens geschrieben, dass mit ihren Eltern in den Süden fährt und dann irritiert ist, weil sie nicht überall tanken oder einkaufen dürfen.

Bild aus dem Film Green Book

Wie war die Zusammenarbeit mit Mahershala Ali?
Ich habe immer seine Arbeit bewundert, ihn aber erst auf einer Cocktail Party einer Award-Verleihung kennengelernt. Normalerweise führst du da nur kurze Gespräche, wir konnten uns aber in eine Ecke verdrücken und über eine halbe Stunde miteinander sprechen. Wir hofften beide, dass wir in einem Film zusammenspielen könnten und das nächste Projekt, dass wir beide annahmen, war «Green Book». Er ist ein Perfektionist und ein sehr aufmerksamer Mensch und Schauspieler. Wer weiss, vielleicht ergibt sich ein weiterer Film, bei dem wir zusammenarbeiten können.

Welche Botschaft des Films ist dir besonders wichtig? 
Menschen sind nicht so unterschiedlich, wie wir es manchmal denken. Sei es aus Ignoranz, Angst vor dem Unbekannten oder Politiker uns glauben machen wollen. Wir sind alle gleich. Wir gehen auf eine gemeinsame Reise, sei es in einem Auto oder in einem Gespräch. Dann realisiert man, dass das Gegenüber gar nicht so anders ist, wie man selbst. Wenn die Menschen dies von der Geschichte mitnehmen, bin ich glücklich.

Bild vom 14. Zurich Film Festival

Bilder: Daphne Chaimovitz, © Ascot Elite Entertainment Group. All Rights Reserved.

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