Interview mit Nir Baram

Der israelische Autor Nir Baram (41) verfilmte eines seiner Bücher als Dokumentarfilm «A Land without Borders». Im Interview spricht er über die Zweistaatenlösung, von der er nichts hält und die Hoffnung, dass durch den Film wieder der Dialog angeregt wird und die beiden Völker beginnen, die Intuitionen des anderen mehr zu verstehen.

Bild von Nir BaramHast du eine Veränderung in der israelischen Bevölkerung bemerkt, seit der Film im Kino ist?
Ja, für viele Menschen ist es schwierig darüber zu sprechen und nachzudenken, weil sie nicht dachten, dass sie selbst Teil der Lösung sind. Sie sehen den Film oder lesen das Buch und fangen an sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Sogar in der Politik beginnen sie in diese Richtung zu denken, natürlich vor allem linke oder Mitte-links Parteien.

Was sagen deine Familie und Freunde dazu, dass du einen Film über dieses Thema gedreht hast?
Schon beim Buch gab es viele Reaktion, wie: Dies hilft den linken Parteien und gefährdet den Frieden. Ich habe lediglich erzählt, was ich gesehen habe. Es trifft oder verärgert die Leute, aber das war meine Idee. Sie aufzuwecken und zum Nachdenken zu bringen.

Wurdest du angefeindet?
Ja, sicher. Von links bis rechts gab es Drohungen. Aber mich lässt das kalt, ich bin es schon gewohnt. Niemandem, den ich kenne, ist tatsächlich etwas zu gestossen.

Glaubst du an eine Lösung?
Ich denke, wir müssen mit einer neuen Sicht an den Konflikt treten. In der Zukunft gibt es Lösungen, aber nicht diese, die wir kennen. Um dahin zu kommen, müssen wir beginnen anders miteinander zu sprechen. Es gibt die Probleme schon seit 100 Jahren nicht erst seit 1967. Nicht alle Anforderungen können für beide Seiten erfüllt werden, wir müssen einen Kompromiss eingehen. Man kann die beiden Völker nicht komplett voneinander trennen, dies ist wichtig zu wissen und zu erkennen.

Als du mit den Palästinensern gesprochen hast, haben sie gesagt, ob sie bereit wären neben Israelis zu wohnen, wenn sie in ihr altes Zuhause zurückkönnten?
Absolut! Sie verstehen gar nicht, was das Problem ist. Ein totaler Gegensatz zwischen den beiden Völkern ist, dass Israelis sehr patriotisch sind, die Palästinenser weniger. Für sie zählt mehr das Gebiet oder der eigene Grund und Boden. Die Palästinenser möchten zurück in ihr Zuhause und es ist ihnen egal, ob Israelis ihre Nachbarn sind. Hingegen haben die Israelis bei einem palästinensischen Nachbarn ein mulmiges Gefühl. Das Problem ist, dass es die Häuser nicht mehr gibt, in die die Palästinenser zurückkehren wollen. Dies ist auch Teil des Problems, diese Fantasie, dass alles noch so dasteht wie damals. Meiner Meinung nach ist es eine gute Idee, eine Anzahl palästinensische Flüchtlinge zurückzuführen. Israel nahm eine Million Russen auf, da kann sie auch ein paar Palästinenser zurücknehmen. Aber es wollen auch nicht alle zurückkehren. Es ist sehr kompliziert und es braucht Jahre bis es zu einer angemessenen Lösung kommt. Die perfekte Lösung gibt es nicht.Bild aus dem Film A Land Without BordersWirst du dieses Thema noch weiterverfolgen?
Nein, dies war ein Projekt, dass ich gemacht habe. Eigentlich schreibe ich Romane. Ich will auch nicht in die Politik, aber vielleicht verwenden die Politiker die Quintessenz des Buches oder Filmes.

Wie hast du die Menschen ausgewählt, die du interviewt hast?
Im Buch gab es natürlich viel mehr Interviews. Für den Film habe ich die ausgewählt, die klar ihre Meinung sagen.

Kannst du mittlerweile Arabisch?
Ich bin es am Lernen. Dies ist auch Teil des Konflikts. Wir können nicht richtig in einer Sprache miteinander kommunizieren. Die Israelis können kein Arabisch und die Palästinenser kein Hebräisch.

Was gibt dir die Kraft, solch ein Dokumentarfilm zu drehen?
Es hat mich interessiert. Mir ist es sehr wichtig, als Kind das in einem politischen Zuhause aufgewachsen ist. Oftmals wenn ich für Lesungen meiner Romane durch die Welt reiste, traf ich Palästinenser zum Beispiel in Chile oder Deutschland und fragte sie, was hält ihr von der Zweistaatenlösung. Sie sagten mir, was bringt uns das. Erst da begriff ich, dass zwei Staaten nicht ihr Ziel ist. Sie wollen nach Hause gehen. Die Linke nimmt das überhaupt nicht wahr und mir war es wichtig, ihnen diesen Box ins Gesicht zu geben, damit sie endlich aufwachen.
Ich habe auch einen deutschen Politiker vom Reichstag getroffen. Der erzählte mir, dass er auch für eine Zweistaatenlösung ist. Nachdem er das Buch gelesen hatte, hatte er begriffen, dass er nichts begriffen hatte. Diese Erschütterung hilft den Menschen, gibt ihnen eine neue Sichtweise auf die Dinge und führt hoffentlich zu einem Dialog.Bild aus dem Film A Land Without Borders
Bilder: Daphne Chaimovitz, Yesh

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