Rabbi William Wolff (90) ist in Berlin geboren. Vor dem zweiten Weltkrieg sind er und seine Familie zuerst nach Amsterdam und schliesslich nach England ausgewandert. So konnten sie dem Krieg entkommen. Heute lebt er in London, ist aber ständig unterwegs und erfreut seine Umgebung mit seiner bemerkenswerten Art.
Nach jahrelanger Tätigkeit als Journalist entschloss sich Rabbi Wolff mit 52 Jahren seinen langgehegten Wunsch wahrzumachen und Rabbiner zu werden. Bis vor kurzem war er für die drei jüdischen Gemeinden Schwerin, Rostock und Wismar als Rabbiner tätig. Heute hilft er bei grossen Festen mit, wenn es ihm möglich ist, zwischen all seinen Projekten.
Mit 52 haben Sie sich entschlossen Rabbiner zu werden, wieso erst dann? Es war ja schon Ihr Wunsch zur Schulzeit.
Zur Schulzeit hatten meine Eltern kein Geld für ein Studium, deswegen konnte ich mir den Traum damals nicht erfüllen. Als ich mit 16 in der Schule gefragt wurde, was ich werden wolle, habe ich gesagt Rabbiner oder Journalist. Journalist bin ich ja dann auch gewesen, bevor ich mit dem Studium zum Rabbiner begonnen habe.
Waren Sie auch mal ausserhalb Deutschlands als Rabbiner tätig?
Ich war vor 20 oder 25 Jahren während der Herbstfeiertage fünf Wochen in Johannisburg tätig und sehr gerne dort. Das war ungefähr sechs Monate bevor Nelson Mandela Präsident wurde. Ein besonderes Erlebnis hatte ich mit dem farbigen Hausmeister. Eines Nachmittags ist er ohne zu klopfen hereingekommen, hat sich hingesetzt und mir die Leviten gelesen, warum ich nicht dableibe. Ich hatte mich aber schon in London verpflichtet. Ich fand es so wunderbar, dass er mit mir so direkt gesprochen hat zu dieser Zeit.
Machen Sie immer noch täglich Ihre Yoga-Übungen?
Ja, seit 60 Jahren mach ich Yoga und kann dies jedem wärmstens weiterempfehlen.
Im Film wird gesagt, dass man Sie nie zornig erlebt. Stimmt das?
Es steckt nicht viel Zorn in mir, darüber bin ich auch ganz froh. Es bringt ja nichts, wenn man wütend wird (zwinkert).
Sie sind ständig unterwegs und haben sehr viele Aufgaben, wo und wie tanken Sie Kraft?
Unterwegs zu sein gibt mir die nötige Kraft. Das macht mir Spass.
Apropos Spass: Sie haben gesagt, wenn es Ihnen irgendwo keinen Spass mehr gemacht hat, haben Sie sich etwas Neues gesucht, das Ihnen wieder Spass macht. Woher hatten Sie die Gewissheit, dass es etwas Besseres gibt?
Ich hatte immer dieses Grundvertrauen und hatte nie Zweifel. Ich bin von Natur aus Optimist. Mein Glaube ist sicher auch eine gute Stütze.
Was gibt Ihnen Ihr Glaube sonst noch?
Ich muss mir zum Beispiel keine Gedanken über den Sinn des Lebens machen.
Wenn Sie auf Ihr Leben zurückschauen, würden Sie etwas grundlegend anders machen?
Ich würde heiraten und eine Familie gründen. Dies habe ich unerklärlicherweise versäumt.
Wie haben Sie im ersten Moment auf die Anfrage reagiert, einen Film über Ihr Leben zu drehen? Waren Sie sofort dabei?
Ja, klar. Ich fand das ganz wunderbar.
Was bedeutet es für Sie, dass Ihr Dokumentarfilm so viele Besucher anzieht, so viel Erfolg hat?
Das ist sehr schön und freut mich natürlich sehr.
Im Film sieht man Sie einmal auf einer Blumenwiese und ein anderes Mal auf einer Brücke, während eine Horde Kinder an Ihnen vorbeirennt. Sie sagen nur: «Wunderbar, ist das nicht wunderbar». Wieso schätzen Sie solche Kleinigkeiten besonders?
Weil es oftmals die kleinen Dinge sind, die unser Leben verändern. Deswegen erfreue ich mich gerne an ihnen. Und ist so eine Blumenwiese oder Kinderlachen nicht etwas wunderschönes (lächelt)?
Bilder: Daphne Chaimovitz, Ulrich Holz
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