Andrea Brunner (32) aus Zürich ist in Thun aufgewachsen und hat Fotografie in New York studiert. Sie fotografiert am liebsten Umgebungsportraits und freut sich, wieder mehr zu reisen. Im Interview inmitten der Tiere des GZ Wipkingens erzählt sie mir, was für sie ein gutes Foto ausmacht, wann sie ihre Leidenschaft zur Fotografie entdeckte und wo sie schon ausgestellt hat.
Wann hast du die Leidenschaft zur Fotografie entdeckt?
Mit 13 habe ich begonnen zu fotografieren, bekam gutes Feedback und habe dann nach dem Beruf Fotografin gegoogelt. Weil aber überall stand, dass man davon finanziell kaum leben kann, habe ich den Traum erst einmal wieder begraben. Weiterfotografiert habe ich aber trotzdem. Nach meiner KV-Lehre ging ich als Au-pair nach New York, habe in meiner Freizeit oft Strassenfotografien gemacht und dann aus Jux eine Fotoschule besucht. Am New York Institute of Photography haben mich die Lehrer sehr motiviert weiterzumachen. Ich habe dann den High School Abschluss nachgeholt, bekam ein Stipendium und studierte Fotografie mit Schwerpunkt Fotojournalismus und Englisch an der Uni.
Wie ging dein beruflicher Weg weiter?
Ich war sieben Jahre in New York bei diversen Medien und an Events tätig. Danach habe auch in der Schweiz als Fotografin und Fotojournalistin gearbeitet. Durch meine Teilzeitstelle als Flugbegleiterin bei der Swiss konnte ich die Welt bereisen und viel im Ausland fotografieren. Heute bin ich hauptberuflich in der digitalen Werbung für eine grosse Schweizer Firma tätig und habe so immer noch jeden Tag mit Bildern und Videos zu tun.
Was war deine erste Kamera?
Meine Allererste war eine Filmkamera von meinem Papi. Die erste Kamera, die ich mir selbstgekauft habe, war eine Point & Shoot von Canon. Die hat super Bilder gemacht und war ideal für Strassenfotos.
Was macht dir an der Fotografie Freude?
Menschen auf der Strasse zu fotografieren, dezent, unauffällig, wie eine Fliege an der Wand. In Amerika ist die Diskrepanz zwischen reich und arm sehr gut ersichtlich. Zum einen sind da Bettler und daneben Wall Street Typen, die Milliarden verdienen. Fotos von diesen Situationen und Begegnungen zu machen, ist sehr spannend. In Zürich würde man dies am ehesten an der Bahnhofstrasse oder Langstrasse finden. Ausserdem mache ich sehr gerne Fotoreportagen. Die Themen können dabei sehr vielseitig sein. Metzger oder anderes, welches ich nicht mit meinen Werten vereinbaren kann, fotografiere ich nicht.
Wer ist dein Lieblingsfotograf?
Meine Lieblingsfotografen sind Steve McCurry, Vivian Maier und Alex Webb. Für mich sind alle drei faszinierend, weil sie sehr ausdrucksstarke Porträts fotografieren. Es ist immer spannend fürs Auge, Dinge zu sehen, die man selbst nicht kennt. Bilder, die jemand im Ausland macht, wirken oft interessanter, weil es ungewohnt ist. Deswegen finde ich es einfacher, im Ausland zu fotografieren als in der Heimat, weil man die Dinge «mit anderen Augen» sieht. In New York kamen meine Berglandschaften der Schweiz sehr gut beim Publikum an und umgekehrt.
Was ist für dich ein gutes Foto?
Das sind ganz viele verschiedene Komponenten, die da zusammenkommen. Die Kombination der Farben finde ich sehr spannend, aber es gibt natürlich auch sehr gute schwarz-weiss Bilder. Es muss der perfekte Moment sein, den man festhält. Da gibt es kein Rezept. Grundlegend ist dabei die Komposition. Ansel Adams hat einmal gesagt: «You don’t take a photograph, you make it». So sehe ich das auch. Zwei oder mehrere Dinge, die zufällig zusammenkommen, jedoch stark im Kontrast stehen, im richtigen Moment festhalten. Das finde ich spannend. Im Englischen wird das «Juxtaposition» genannt.
Bearbeitest du viel nach?
Ja, ich finde es auch wichtig. Zum Beispiel bei einem schwarz-weissen Bild muss man noch mehr Kontrast reinbringen, sonst sieht das Bild meiner Meinung nach «flach» aus.
Früher hatte man ja diese Programme nicht. Ist es nicht das Ziel, ein Foto zu machen, dass so wenig wie möglich nachbearbeitet werden muss?
Es gibt ein Bearbeiten und ein Bearbeiten. Beim Retuschieren verfälscht man zum Teil Dinge. Dies ist für mich ein No-Go ausser es wurde ausdrücklich so gewünscht. Im Journalismus zum Beispiel ist es ein absolutes Tabu, ein Bild zu verfälschen. Aber Bilder schärfen, den Kontrast erhöhen, Farben leicht verändern oder mit der Helligkeit arbeiten, das gehört für mich dazu. Bei kommerziellen Bildern allerdings geht es heutzutage gar nicht mehr ohne eine Retusche wie Haut verschönern und das mache ich natürlich auch. Mein Ziel ist es immer so zu fotografieren, dass man so wenig wie möglich nachbearbeiten muss. Ein Bild, das gar nicht bearbeitet ist, sieht für mich oft noch nicht fertiggestellt aus.
Ist es für Profifotografen heutzutage schwieriger geworden, weil die Kameras auch gerade in Smartphones immer besser werden?
Ich glaube, man kann immer noch den Profi vom Laien unterscheiden. Aber es ist schon so, dass die Kameras und Handykameras immer besser werden. Trotzdem reicht es nicht, um konstant gute Bilder zu machen.
Was ist dein Anreiz, Menschen zu fotografieren oder fotografierst du lieber Landschaften?
Lustig, das wurde ich gestern schon gefragt. Ich liebe es, beides zu kombinieren. Ein Porträt allein erzählt keine Geschichte. Geschichten erzählen, mache ich am liebsten. Bei Environmental Portraits fotografiert man eine Person in ihrer Umgebung. Dies sagt zehnmal mehr über einen Menschen aus als «nur» eine Nahaufnahme. Zum Beispiel ein Kind in seinem Kinderzimmer mit allen Spielsachen und der Lieblingspuppe, ein Künstler inmitten seiner Kunstwerke oder eine Chirurgin nach einer schwierigen Operation mit ihren medizinischen Instrumenten im OP. Ich mag aussagekräftige Bilder.
Wen möchtest du am liebsten einmal fotografieren?
Es gibt so viele spannende Menschen. Zum Beispiel Menschen in Indien, die in Slums leben. Die haben sicher spannende Geschichten zu erzählen. Mich interessieren immer die Geschichten hinter den Bildern. Die Kamera ist nur mein Werkzeug, ein Mittel zum Zweck sozusagen, um den Zugang zu den Menschen zu finden und ihre Geschichten zu erzählen. Mein Wunsch ist es, auf Fotos festzuhalten, was vielleicht andere in dem Moment gar nicht bemerkten. Oft lebt man nicht «im Moment» und die Details fallen einem erst auf den Bildern auf, obwohl man dort war. Ich ertappe mich selbst immer wieder dabei.
Wo hast du schon ausgestellt und wo würdest du gerne ausstellen?
Ich habe an der Photoville, im Queens Museum, in Gebäuden und Einkaufszentren in Amerika ausgestellt. Ein Ziel in naher Zukunft ist es, an der photoSCHWEIZ auszustellen. Künftig möchte ich vermehrt auf das stille Tierleid aufmerksam machen, mich gegen Tierquälerei und Massentierhaltung einsetzen. Ich könnte mir vorstellen, dafür eine Ausstellung zu organisieren. Und wer weiss, im hohen Alter eine grössere Ausstellung mit den besten Bildern von den vielen Reisen und Eindrücken, die ich über Jahre hinweg festhalten konnte. Bei der ich mit meiner zukünftigen Familie und guten Freunden auf die tollen Momente zurückblicken und in Nostalgie schwelgen kann.
Bilder: © Andrea Brunner www.andrea-brunner.com all rights reserved.
Vielen Dank für das interessante Interview dieser sch9nen Frau
Herzlichen Dank!