Interview mit Emrah Erken

Rechtsanwalt Emrah Erken (54) aus Zürich hat eine Popularbeschwerde gegen die SRG eingereicht, bei dem er die Berichterstattung über die anti-israelische Uni-Proteste in den USA und der Schweiz kritisierte. Die unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen (UBI) hat ihm in grossen Teilen recht gegeben. Weshalb es ihm wichtig war und wie er vorgegangen ist, erzählte er mir im Interview.

Bild von Emrah Erken

Wie bist du auf diese Unstimmigkeit in der Berichterstattung der SRG gekommen?
Es ist nicht das erste Mal, dass ich gegen die SRG Beschwerde eingereicht habe. Seit dem 7. Oktober 2023 habe ich immer genau geschaut, wie sie über das Massaker, den daraus resultierenden Krieg und dessen Auswirkungen weltweit berichten. Als dann am 17. April 2024 die Universitätsbesetzungen in den USA losgingen, habe ich dies hauptsächlich auf X mitverfolgt, weil die Medien hier nicht gross darüber berichteten. Ich habe mich schon vorher über die Nicht-Berichterstattung des Schweizer Fernsehens extrem aufgeregt. Insbesondere, als die Anhörung von den drei Universitätspräsidenten Harvard, Penn und MIT am 5. Dezember 2023 war. Das war pure Menschenverachtung und Kontextualisierung von diesem Pogrom des 7. Oktober und die haben einfach nicht darüber berichtet, während andere Medien dies sehr umfangreich taten.
Als sie dann nach einer Woche endlich über die Universitätsbesetzungen berichteten, habe sie es als Friedensdemonstration abgetan. Da wurde ich so wütend, dass ich beschloss diese Beschwerde zu schreiben.

Wie bist du vorgegangen?
Ich wollte, dass es eine Entscheidung der Unabhängigen Beschwerdeinstanz (UBI) gibt und wollte keinen Schlussbericht der Ombudsstelle. Von Anfang an war geplant, eine ganz grosse Sache daraus zu machen. Ich habe dann in dieser Rechtschrift die ideologischen Grundlagen skizziert, die ich dank dieser Verbindung zu Herausgeber Vojin Saša Vukadinović und meiner Beschäftigung mit diesen Themen sehr gut kenne. Insbesondere kenne ich den antisemitischen Kern der neuen Ideologien, die heute unter dem Ausdruck «Wokeness» zusammengefasst werden, gut. Und ich kenne Literatur darüber, die sich genau mit dieser Thematik befasst. Im Schweizer Fernsehen werden diese Dinge nicht thematisiert, weil die Sendeverantwortlichen selbst woke sind. Es weist auch nie jemand darauf hin, dass sie ein Antisemitismusproblem haben. Wenn sie nicht unabhängig über Themen berichten, machen sie dies bewusst, damit die Leute gar nicht auf das aufmerksam werden. Diese Absicht habe ich ihnen unterstellt.

UBI hat das verneint, aber ich glaube, das hat sie schon überzeugt, dass das der Fall ist. Meiner Meinung ist dies, weil die SRG woke ist. Dann ist man automatisch in diesem antisemitischen Dunstkreis drin. Klar, gibt es auch woke Personen, die nicht antisemitisch sind, das ist mir schon bewusst. Aber entweder merken sie es nicht, dass hier ein antisemitischer Kern vorhanden ist, oder sie schauen einfach darüber hinweg.

In einem zweiten Teil habe ich die ganze Ideologie auseinandergenommen, auf die Literatur hingewiesen, auf Fachspezialisten, die das sogar studiert haben und gezeigt, was wirklich bei diesen Protesten in Amerika und in der Schweiz passiert ist. Im dritten Teil habe ich aufgezeigt, was SRF und SRG-Medien darüber berichtet haben. Im rechtlichen Teil habe ich dann die Sachgerechtigkeitsgebotsverletzungen und Vielfaltsgebotsverletzungen aufgezeigt und gleichzeitig gesagt, dass das Schweizer Fernsehen durch diese Art der verharmlosenden, beschönigenden Berichterstattung, die Menschenwürde verletzen und zum Rassenhass beitragen würde. Das ist ein grober Vorwurf. Die Sachgerechtigkeitsgebotsverletzung wurde in einem für mich wichtigen Fall mit fünf zu vier knapp verneint. Der Vielfaltsgebotsverletzung wurde zugestimmt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, das ist wichtig. Die SRG könnte den Entscheid noch ans Bundesgericht weiterziehen. Das Problem ist, wenn sie das machen, können sie verlieren. Dann haben sie einen Bundesgerichtsentscheid, der gegen sie ist. Das ist ein Risiko. Das Zweite ist, sie verleihen dem Fall noch mehr Publizität.

Wieso war es dir so wichtig, diese Popularbeschwerde einzureichen?
Never again is now! Das war der simple Grund. Bei Antisemitismus musst du fadengrad vorgehen und zeigen, dass er nicht toleriert wird. Natürlich nahm ich auch in Kauf, dass ich verliere. Das ist immer ein Risiko. Aber ich habe nicht verloren. Und ich habe mir einfach gesagt, auch wenn ich verliere, habe ich wenigstens die Leute über die entsprechenden Themen aufgeklärt. Das hat so eine Aufmerksamkeit gekriegt. Witzigerweise hat die SRG über ihre Niederlage nicht berichtet.

Bild: Emrah Erken

Keine Kommentare

Kommentar verfassen