Seit 2013 gibt der Lebenshof Hof Narr geretteten Tieren ein Zuhause. Auf dem schönen Hof in Hinteregg können die Tiere nach ihren Bedürfnissen ein würdevolles Leben führen. Dies möglich macht Sarah Heiligtag (41) mit ihrer Familie und Mitarbeitern. Sie engagiert sich für eine verantwortungsbewusste Gesellschaft, in dem sie auf dem Hof Ethik unterrichtet, Bauern bei der Umstellung auf eine gewaltfreie Landwirtschaft unterstützt und mit ihrem eigenen Landwirtschaftsbetrieb als Beispiel vorausgeht. Wie sie bei all dem Tierleid, dass sie sieht, Kraft tankt, wie ein Arbeitstag bei ihr aussieht und was sie sich von den Menschen wünscht, erzählt sie mir im Interview.
Was ist dein Werdegang?
Ich habe Philosophie studiert und mich auf Ethik spezialisiert. An der Uni habe ich gemerkt, dass das Philosophiestudium perfekt ist, um die Welt zu verändern. Man lernt, was es für Lösungen gibt und wie wir dafür sorgen können, dass alle Menschen und Tiere eine Zukunft haben. Ich bin sehr motiviert in das Studium eingetaucht und wollte nachher Ethik unterrichten. Ich war überzeugt, dass dann alle verstehen würden, dass man alles ein wenig anders machen muss.
Da die Menschenrechte sehr eng mit den Tierrechten verbunden sind, bin ich beim Tierrecht gelandet. Bei den Grundrechten der Menschenrechte geht es ja hauptsächlich um die körperliche und seelische Unversehrtheit, dass es uns gut geht. Vor dem Gesetz sind wir alle unter anderem gleich, weil wir alle die Empfindungsfähigkeit besitzen. Von da ist es kein weiter Weg zur Tierethik, weil die Tiere ebenso empfindungsfähige Wesen sind wie wir. Ein Stück weit verstehen wir es bei Hunden und Katzen und integrieren sie in unsere Familie. Logisch gesehen ist es nicht zu rechtfertigen, dass wir irgendein Tier anders behandeln als uns selbst. Hierbei geht es nicht darum eine Kuh in den Fahrunterricht zu schicken, sondern Tiere entsprechend ihrer vergleichbaren Interessen gleich zu behandeln. Als Basis der moralischen Berücksichtigung müssen die Bedürfnisse und Interessen des jeweiligen Individuums gesichert sein. Dies in der Theorie zu lernen und dann zu sehen, dass es nirgends in der Praxis, in einem Tierschutzgesetz umgesetzt wird, ist erschütternd. Die Gesetze sind so formuliert, dass sie voraussetzen, dass Tiere zum menschlichen Nutzen da sind und innerhalb dieses Verständnisses wird das Tier als Ware besser oder schlechter gestellt. Anstatt, von den Bedürfnissen der Tiere auszugehen, werden also Bedingungen geschaffen, in denen die Tiere per se alle Möglichkeiten eines erfüllten Lebens verlieren.
Wie wir mit den Tieren umgehen, hat viel damit zu tun, wie es unserem Planeten, den Menschen in der dritten Welt und unserer Gesundheit geht. Wenn wir die Tiere schlecht behandeln, behandeln wir uns schlussendlich auch selbst schlecht. Durch diese Erkenntnis fühlten mein Mann Georg und ich, dass wir dringend etwas unternehmen müssen. Wir dachten, wenn wir über diese Themen unterrichten, versteht jeder, dass er seinen Beitrag dazu leisten muss und dies auch will. Leider haben wir schnell gemerkt, dass dies so nicht funktioniert. Wir haben realisiert, dass wir einen Ort schaffen müssen, wo wir umsetzen statt reden und versuchen unsere Mitmenschen zu inspirieren. Ganz wichtig war uns auch, eine Landwirtschaft aufzuzeigen, die zukunftsfähig und gewaltfrei ist. Es ist essentiell andere nicht anzuprangern, sondern eine Alternative aufzuzeigen, die funktioniert. Deswegen haben wir unsere Zeit und Energie in dieses Thema gesteckt und konnten diesen Hof pachten. Ich unterrichte hier auf dem Hof bis zu 400 Kinder und Erwachsene pro Woche in Ethik, Nachhaltigkeit und Gewaltprävention. Kinder haben die natürliche Empathie noch, man müsste die nur bestärken und dann wäre die Welt innerhalb einer Generation eine friedlichere.
Wie lange gibt es den Lebenshof Hof Narr schon?
Den Hof Narr gibt es seit sieben Jahren und er beinhaltet vier Arbeitsbereiche. Zum einen ist es ein Ort, wo aus der Not gerettete Tiere ein Zuhause finden und als Individuen ihre Bedürfnisse ausleben können. Daneben gibt es die Ethikschule, in der wir auf verschiedenste Arten alle Altersklassen unterrichten. Der dritte Arbeitsbereich ist der funktionierende Landwirtschaftsbetrieb. Zuletzt bekommen wir ganz viele Anfragen von Bauern, die aus der Viehzucht aussteigen und in eine vegane Landwirtschaft und/oder Lebenshof umstellen wollen. Diese begleiten und unterstützen wir auf ihrem Weg.
Was beinhaltet die Umstellung auf einen Lebenshof alles?
Der Hauptbestandteil liegt auf dem Lebenshof. Wenn die Bauern ihre Tiere behalten möchten, unterstütze ich sie, wie man das finanziell tragen kann. Bei einem Mastbetrieb können zum Beispiel nicht alle Tiere behalten werden, da der Platz es nicht hergibt. Ein weiterer Punkt ist, wie man die Idee in die Welt tragen kann. Entscheidet sich zum Beispiel ein Milchbauer dazu umzustellen, kann er über die Milchindustrie informieren. Es gibt auch Bauern, die keine Tiere mehr haben wollen und nach der letzten Schlachtung direkt auf pflanzenbasierte Landwirtschaft umsteigen. Dann gibt es auch welche, die nicht öffentlich dazu Stellung nehmen wollen, weil es in ihrem sozialen Umfeld nicht akzeptiert wird. In jedem Fall ist es viel Gesprächsberatung, aber auch handfeste Hilfe, wenn auf dem Hof mitangepackt wird oder auch Patenfindung und Finanzierungsplanung.
Wie lange bist du schon Veganerin? Wie kam es dazu?
Dies kam gegen Ende des Studiums, nach dem ersten Tierethiktext, den ich gelesen hatte. Ich bin vegetarisch aufgewachsen und habe nie gedacht, dass ich etwas entgegen meiner Wertvorstellungen mache. Es war für mich immer klar, dass ich keine Tiere esse, weil dies meine Freunde sind. So musste ich mich nie bewusst damit auseinandersetzen. Als ich über die Tierethik gelesen habe, fragte ich mich, wieso mir nicht früher aufgefallen ist, dass Kühe nur Milch geben, wenn sie Babys haben. Da war ich selbst erstaunt, dass ich das nie realisiert habe, obwohl ich in einem gebildeten Haushalt aufgewachsen bin.
Woher kommt die Liebe zu den Tieren?
Ganz klar aus meinem Elternhaus. Wir hatten immer gerettete Hunde, Katzen und Hasen als Haustiere, die ein gutes Leben bei uns hatten. Sie waren Familienmitglieder und haben von Anfang an zu meinem Leben gehört. Als Sechsjährige habe ich dem Metzger ein Bild gemalt und gesagt, er darf keine Schweine mehr töten, obwohl ich nie mit Schweinen zu tun hatte.
Wie viele und welche Tiere leben auf dem Hof?
Es leben 100 Tiere auf dem Hof, davon Hühner, Truten, Enten, Kaninchen, Pferde, Ziegen, Schweine, Hunde und Katzen.
Wie tankst du Kraft, bei all dem Tierleid, dass du siehst?
In der positiven Veränderung. Ganz viel Kraft tanke ich, wenn ich Zeit mit den Tieren und den Menschen hier auf dem Hof verbringe. Meine Kinder geben mir besonders viel Energie. Mut macht mir am meisten, dass so viele Menschen ihren Teil dazu beitragen, die Situation positiv zu verändern. Bauern, die aus der Nutzierhaltung aussteigen wollen und erkennen, dass es so nicht weiter geht. Ich tanke enorm viel Kraft, wenn ich Menschen positiv verändere. Wenn ich nur immer mein Augenmerk auf das Negative richte, und davon sehe ich sehr viel durch meine Arbeit, lähmt es mich fast. Als einzelner Mensch kann man nur versuchen, so viel im eigenen Umfeld zu machen und zur Veränderung beizutragen. Wie eine einsame Kerze im Dunkeln zu scheinen und andere dazu inspirieren, umzudenken.
Wie sieht dein Arbeitstag aus?
Es gibt nicht einen typischen Arbeitstag. Ich bin ein Morgenmensch und stehe um 5 Uhr auf. Dann widme ich mich der Büroarbeit, damit diese erledigt ist und geniesse die Ruhe, weil doch immer viel los ist am Tag. Um 7 Uhr frühstücke ich mit meiner Familie. Entweder gehe ich zurück ins Büro, empfange eine Schulklasse, die ich in Ethik unterrichte oder gehe zu einem Bauern für eine Beratung. Ich bin nicht mehr so viel im Stall, gehe aber sicher zweimal am Tag alle meine Schützlinge besuchen und schaue, wie es ihnen geht und dass sie die Medikamente bekommen, falls sie welche brauchen. Der Nachmittag ist auch immer unterschiedlich, je nach Terminen, die anstehen.
Wie bringst du Hof und Familie unter einen Hut?
Das ist immer wieder eine Herausforderung, aber es geht sehr gut.
Wie viele Mitarbeiter beschäftigst du?
Wir sind sieben Personen im Kernteam, aber es sind nicht alle Vollzeit angestellt. Im Verein Hof Narr arbeiten Georg und ich ehrenamtlich. Durch den Landwirtschaftsbetrieb und die Schulklassen generieren wir unser Einkommen.
Könnt ihr Ferien machen?
Ja, wir haben ein tolles Team und tolle Freiwillige, die die Verantwortung für diese Zeit übernehmen. Das geht super gut.
Und du kannst deine Tiere auch in die Obhut anderer abgeben?
Es gibt nicht viele Menschen, in die ich das komplette Vertrauen habe, aber in mein Team habe ich es. Und so kann ich auch abschalten in den Ferien und habe nicht dauernd im Hinterkopf, dass ich nachfragen will, ob alles in Ordnung ist.
Woher kommt dein sprachliches Flair? Deine Posts gehen immer direkt ins Herz.
Ich habe immer schon gerne geschrieben. Ich habe in der Pubertät und auch später Ereignisse, die ich erlebt habe, über Gedichte verarbeitet. Ich habe gemerkt, dass es bei dieser Thematik mit den Tieren, die auch sehr tief geht, berührt und erschüttert, hilft sich mit einer poetischen Variante mitzuteilen. Durch das Zusammenleben und Beobachten der Tiere geschieht so viel, dass man schön in Worte fassen kann.
Welche von all deinen Tätigkeiten für die Tiere machst du am liebsten und wieso?
Ich finde die Varietät am schönsten, mit Menschen und Tieren zusammenzuarbeiten. Zum Beispiel dieser wertvolle Augenblick, wenn ein Mensch zum ersten Mal ein Schwein streicheln darf. Für mich ist das ein Geschenk. Die verschiedenen Aspekte finde ich spannend, wie die Landwirtschaft oder den Wandel. Was ich nicht soo gerne mache, ist die Buchhaltung und die ganze Büroarbeit, weil es sehr viel Papierkram ist. Am meisten Freude macht mir die Zusammenarbeit mit den Lebewesen.
Was wünscht du dir von den Menschen?
Mein grosser Wunsch ist, dass sie bewusster werden. Sie sollen beginnen zu hinterfragen. Sie sollen sich fragen, wenn sie ein Produkt kaufen, sei es Lebensmittel oder Kleidung, ob sie dahinterstehen können. Wer hat für die Herstellung gelitten, wer musste es herstellen, gibt es Alternativen. Sie sollen hinschauen und sich bewusst für ein Produkt entscheiden und nicht einfach nur, weil es vordergründig ein bisschen billiger ist, die realen Kosten für billiges Zeug, zahlt meistens Jemand anderes. Nur schon dadurch hätten wir eine viel bessere Situation und einen friedlicheren Planeten. Ich appelliere an die Verantwortung, die wir als Menschen haben. Wir als einzige Tiere oder Lebewesen haben die Fähigkeit Verantwortung zu übernehmen und die sollten wir auch nutzen.
Wie kann man dich und deine Arbeit am besten unterstützen?
Zum Beispiel mit Patenschaften. Das ist für die Patin oder den Paten sehr schön, weil eine Verbindung zu einem Tier entsteht, ohne dass ein Hausstier gehalten werden muss. So hat man hier ein Tier, dass ein Freund der Familie wird, ein Stückweit adoptiert und man besuchen kann. Das Tier wiederum kann auf dem Lebenshof nach seinen Bedürfnissen leben. So gewinnen Mensch und Tier und wir haben ein Budget, mit dem wir arbeiten können. Durch die Patenschaften können wir noch mehr Tieren ein Leben schenken oder sie retten und auch Bauern bei der Umstellung unterstützen.
Ebenfalls kann man uns unterstützen, indem man über uns spricht, unsere Social Media Posts teilt, den Newsletter abonniert und so unsere Idee verbreitet. Man kann auch aktiv auf dem Hof mitanpacken, wobei wir gerade sehr viele Freiwillige haben und gerne nächstes Jahr wieder Anfragen entgegennehmen. Zu guter Letzt kann man ein Gemüse-Abo abschliessen. Das Bio Gemüse kann beispielsweise wöchentlich auf dem Hof oder bei einem Depot abgeholt werden.
Bilder und Video: Daphne Chaimovitz
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