Interview mit Lou Limacher/Gossipa

Lou Limacher (33) ist gelernter Koch. Vor fünf Jahren begann er als Dragqueen Gossipa (forever 29) aufzutreten und bringt das gewisse Etwas an die Events. Ich finde es gehört eine grosse Portion Mut dazu, als Dragqueen zu arbeiten. Glücklicherweise hat er nicht so viele negative Erfahrungen gemacht, wie er mir im Interview erzählt.

Bild von Lou Limacher/Gossipa

Lou leistet einen wertvollen Beitrag, den Menschen zu zeigen, dass Anderssein völlig in Ordnung ist und schafft Akzeptanz. Doch wenn ich mir etwas wünschen dürfte, hätte ich viel lieber, was Kinderaugen in Gossipa sehen: Eine Prinzessin!

Wie bist du auf Gossipa gekommen?
Gossipa ist ein bisschen dank Reto Hanselmann entstanden. Ich war regelmässiger Gast an der Arosa Gay Ski Week. An einem Tag war das Motto «Drag-Fun-Ski-Race» gewesen und da war ich zum ersten Mal als Frau unterwegs. In Arosa entstand auch meine Freundschaft zu Alf Heller. Als er 2015 geheiratet hat, hatten ich und meine Chalet-Leute einen Auftritt im Fummel. Wir posteten davon ein Foto auf Instagram, welches Reto gesehen hatte. Deswegen lud er mich ein, seine Gäste im Dirndl zu unterhalten. Als ich nach einem Dirndl gegoogelt habe, fand ich per Zufall diese fancy Schaumstoffperücke – und so wurde Gossipa geboren.

Was genau ist Gossipa für dich?
Gossipa ist eine extremere Version von mir. Mit ihr kann ich gezielter, frecher und pointierter reagieren, was ich mich vielleicht als abgeschminkter Schweizer manchmal nicht ganz getraue. Aber ich merke immer wieder, dass Gossipa und Lou sich sehr ähnlich sind.

Was ermöglicht dir die Figur Gossipa?
Ich kann mich noch gezielter für die Community engagieren, sei es für das Anti-Diskriminierungsgesetz, Ehe für alle, aber auch Sex Prävention. All dies ist mit und als Gossipa einfacher.

Erkennen dich die Leute, wenn du als Lou unterwegs bist?
Mittlerweile schon, weil ich mich auch ungeschminkt als Lou auf dem Facebook- und Instagram-Kanal von Gossipa zeige. Da fragt mich dann die Frau Müller in der Migros am Limmatplatz, ob die Perücke heute zuhause bleiben musste (lacht). Ich sehe mich aber nicht als Prominenten, sondern als Künstler und Entertainer. Auf der Toilette stinkst bei mir genau gleich, wie bei Herrn und Frau Müller. 😉

Bild von Lou Limacher/Gossipa

Wie entscheidest du, ob du als Lou oder Gossipa an einen Event gehst?
Ganz einfach, wenn man mich zahlt. Gratis schminken mache ich nur, wenn es Prävention oder Charity ist. Der Aufwand ist sehr gross. Perücke, Make-up und Kleider in grossen Grössen sind nicht billig. Bei einem unbezahlten PR-Event, bei dem ein Medienwert rausschaut, geht Gossipa natürlich gern hin. Aber für jede x beliebige Geburtstagsparty ist dieser Aufwand nicht möglich.

Wo holst du dir deine Inspiration?
Meine Inspiration hole ich mir im Alltag, im Gespräch mit meiner Familie und Freunden. Ich bin ein Social Media Kind, folge internationalen Stars und finde da auch Dinge, die ich in der Schweiz zeigen möchte. Meine Kreativität ist sicher ein Steckenpferd!

Was an Gossipa macht dir am meisten Spass?
Die bessere Frage wäre, was mir am wenigsten Spass macht. Die zweieinhalb Stunden im Bad, bevor ich das Haus als Gossipa verlassen kann (lacht). Es hat zwar auch etwas meditatives, aber nach vier Abenden in der Woche brennt dir das Gesicht auch einfach irgendwann vom Make-up. Aber du fragst ja nach dem Spass. Den habe ich, wenn ich Menschen unterhalten und ihnen etwas mitgeben kann – sei es zum Thema Prävention oder einfach mal das Leben da draussen ein wenig anders wahrzunehmen und nicht nur schwarz-weiss zu denken. Manchmal mag ich es auch die Leute ein wenig vor den Kopf zu stossen, wenn Gossipa beim Vorbelaufen einfach jemanden anspricht.  

Bild von Lou Limacher/Gossipa

Welcher Auftritt als Gossipa bleibt dir für immer in Erinnerung?
Schwierige Frage. In diesen fünf Jahren sind so viele tolle Dinge passiert. Von Promi-Dinner bis die Pride moderieren vor 50’000 Leuten oder das ehrwürdige Bernhard Theater mit einer Misswahl aufleben lassen sowie der dieses Jahr zum letzten Mal stattgefundene Life Ball in Wien. Ich habe viele coole Sachen erlebt, da gibt es nicht nur einen speziellen Auftritt.

Wie reagieren die Leute auf dich?
Es kommt darauf an, welche Mondphase gerade ist. Bei Vollmond kriege ich oft dumme Sprüche, wenn ich vorbeigehe. Es gibt aber ganz schöne Situationen. Zum Beispiel als ich für die Sendung «Boser und Böser» um den Mittag durch den Kreis 5 ins Fernsehstudio gegangen bin und die Kinder aus der Schule kamen. Dann hörte ich sie sagen: «Mami schau die Prinzessin oder die Lego-Frau». So herzig. Dies sensibilisiert und die Kinder lernen, dass es auch Menschen gibt, die vielleicht ein bisschen anders sind, aber denen man trotzdem mit Respekt und Freude begegnen kann. Das Schönste ist, wenn ich diesen Kindern ein Lächeln aufs Gesicht zaubern kann.

Hast du eine Veränderung bei den Menschen bemerkt, seit du als Gossipa auf die Strasse gehst?
Ich glaube schon. Da ich mir eine grössere Medialität als Gossipa erarbeiten konnte, werde ich auch als Gossipa erkannt und merke dementsprechend mehr Akzeptanz. Manchmal gibt es sogar Situationen, in denen ich angesprochen werde und ein Kompliment, Zuspruch oder Bewunderung bekomme, weil ich auch ganz offen über Dinge, wie Tripper, rede. Schweizer sind ein bisschen verhaltener, dementsprechend ging dies auch ein bisschen länger. Leider gibt es aber nach wie vor Homophobe Angriffe, da kann ich aber auch hinstehen, sagen «Schweiz schämt euch!» und es wird in den meisten Fällen goutiert.

Bild von Lou Limacher/Gossipa

Wurdest du schon mal angefeindet? Wie gehst du damit um?
Ich hatte das Glück, dass ich noch nie tätlich angegriffen wurde. Bei verbalen Beleidigungen, kommt eine klare Ansage. Ich kann und will nicht «Everbody’s Darling» sein. Leider erging es Dragqueen-Kolleginnen von mir nicht ganz so gut. Ihnen wurden schon die Perücken vom Kopf gerissen oder sie wurden mit Eiern beworfen. Gewalt ist keine Lösung. Würde mir das passieren, würde ich sofort Instagram Live schalten, den Blick anrufen und eine Anzeige erstatten. So ein Verhalten toleriere ich nicht!

Überlegst du dir manchmal Gossipa an den Nagel zu hängen oder kommt das für dich nie in Frage?
Puh, Schatz, ich habe keine Ahnung, was in zehn Jahren sein wird. Momentan habe ich grosse Freude an ihr. Ich habe eigene Projekte aufgezogen. Am 2. Oktober ging meine erste, eigene Web-Kochshow auf Sendung. Ich unterhalte immer noch sehr gerne Menschen und möchte viel lieber noch mehr Gas geben.

Was motiviert dich, weiterzumachen, wenn es gerade nicht so rund läuft?
Ganz einfach: Meine Community, mit der ich mich sehr interaktiv austausche. Diese Menschen bestärken mich weiterzumachen, durch Likes, Kommentare oder persönlichen Situationen. Ich schaue auch gerne auf das Erreichte zurück und natürlich geben mir meine Familie und Freunde in solchen Situationen sehr viel Kraft. That’s what friends are for.

Du hast viele Anfragen, was mich sehr freut! Wie tankst du Kraft bei dem ganzen Rummel?
Ich lache gerade. Es ist Freitagnacht um 23.11 Uhr im schönen Klöntal im Glarnerland, als ich gemerkt hatte, ich muss dir noch deine Interviewfragen beantworten. Ich bin sehr speditiv bei solchen Admin-Anfragen. Kraft tanke ich gerne mit Wochenendaufenthalte im Sommer im Klöntal und im Winter bei Reto in Davos, immer gerne mit Freunden, Familie und den Göttikinder.

Bild von Lou Limacher/Gossipa

Bilder: Amanda Nikolic Photography, Roger Limacher, ©2019 Pixxpower Photography Renato Richina

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