Interview mit Robert Zingg

Ich bin gerade an der Abschlussarbeit meiner Weiterbildung zur Fachkraft für tiergestützte Therapie und Pädagogik. Als Therapietier möchte ich gerne den Hausesel einsetzen. Doch wer sind eigentlich diese Tiere? Deswegen habe ich Dr. Robert Zingg (63), Senior Kurator des Zoo Zürichs, für ein Interview angefragt. Sein Wissen über Tiere ist enorm beeindruckend. Eines schon mal vorweggenommen, den störrischen Esel gibt es so nicht. Diese aufmerksamen Tiere haben immer einen Grund, wenn sie nicht weitergehen wollen.

Bild von Robert Zingg

Was hat der Esel für eine Geschichte und was ist der Unterschied zu Pferden?
Der Esel stammt aus Nordafrika. Sein Vorfahr ist wohl der nubische Wildesel, eine Unterart des Afrikanischen Esels, die in einer Steinwüste leben. In diesem Gelände kann man bei Gefahr nicht kopflos davonrennen. Dies macht ein grosser Unterschied zum Pferd aus. Während das Pferd bei der kleinsten Störung davonrennt, schaut der Esel zuerst, was überhaupt los ist. Der Esel ist in dieser Hinsicht ein ruhigerer Charakter. Beide sind sehr sozial und leben gerne in einer Gruppe.

Domestiziert wurde der Esel schon sehr früh, schätzungsweise 6000 bis 7000 vor Christus. Wobei die Wildform nicht mehr existiert. Benutzt wurde der Esel für alle möglichen Arbeiten. Dies zeigt, dass er im Umgang ein sehr angenehmes Tier ist. Die Redewendung «störrischer Esel» ist falsch, wenn er etwas nicht mitmachen will, hat dies einen Grund. Entweder orientiert er sich oder es irritiert ihn etwas, dass ihn hindert weiterzugehen. Er ist auch ein Tier, dass sehr auf Vertrauen baut. Er ist sehr trittsicher. Deswegen erzeugt man auch die Maultiere und Maulesel, diese können mehr Lasten tragen und sind trittsicherer als Pferde. Der Esel ist ein sehr ideales und genügsames Tier.

Bild von Esel, Zoo Zürich, Robert Zingg
Die Esel Fridolin und Zora im Zürich Zoo

Wie sieht es mit der Ernährung aus?
Auch von der Ernährung ist er ein sehr genügsames Tier, weil die Vegetation seiner Herkunft sehr karg ist. Er kommt auch mit weniger reichhaltigem Heu und Stroh aus und knabbert gerne an Ästen. Falls man auf der Weide Bäume hat, sollte man diese schützen. Es gibt auch noch gewisse Pellets, damit sie Mineralstoffe aufnehmen können. Auf keinen Fall dürfen sie Eibe essen. Darauf muss man achten, wenn sie herumgeführt werden.

Wie soll das Futter angeboten werden?
Das Futter muss so angeboten werden, dass sie eine Beschäftigung haben. Am besten in Säcken oder Kisten, die nur kleine Futteröffnungen haben und wo sie das Heu oder Stroh nur langsam rausziehen können. Esel sind sehr neugierige und interessierte Tiere, die diese Herausforderungen gerne annehmen.

Bild von Esel, Zoo Zürich, Robert Zingg

Wie viele Tiere muss man mindesten zusammenhalten?
Werden sie als Arbeitstier genutzt, leben sie oft alleine oder mit einer Ziege. Vom Tierschutz her sollten es zwei sein, dann gelten sie schon als eine Gruppe. Klar, ist ein grösseres Grüppchen sozial auch spannender. Aber es kommt auch immer auf die einzelnen Individuen an, wie sie sich untereinander verstehen. Bei uns im Zoo leben die beiden Esel mit den Ponys zusammen, was super funktioniert. Esel haben auch eine Schutzfunktion, weil sie sehr aufmerksam sind und auf Gefahren hinweisen, denen sie sich auch entgegenstellen können.

Wie gross muss der Stall, der Auslauf oder die Weide sein?
Es ist immer ein Vorteil, wenn vor dem Stall ein Bereich des Bodens gefestigt ist. Bei Regen hat man dann sonst schnell eine Sumpflandschaft.

Sind die Esel im Zoo beschlagen?
Nein, sind sie nicht. Etwa alle sechs Wochen kommt der Hufpfleger.

Bild von Esel, Zoo Zürich, Robert Zingg

Gibt es Punkte, auf die ich besonders achten muss, wenn ich mit Esel und Menschen zusammenarbeiten möchte?
Bei der Selektion muss ein Tier gefunden werden, dass Vertrauen zum Menschen und keine Marotten hat, wie zwicken. Wir hatten bis jetzt keine Probleme mit unseren Tieren.

Was macht ihr im Zoo für Aktivitäten?
Regelmässig spazieren die Esel und Ponys als Karawane durch den Zoo, bei der sie von freiwilligen Helfern geführt werden. Im Sommer bieten wir auch Ponyreiten an.

Gibt es bei der Mimik oder Gestik, Dinge, auf die ich achten kann?
Wenn die Ohren ganz flach nach hinten liegen, dann ist Vorsicht geboten. Sonst wüsste ich jetzt keine Merkmale. Klar, sie sind sehr sensitiv, was das Gehör anbelangt.

Bild von Esel, Zoo Zürich, Robert Zingg

Zeigt der Esel, wenn er krank ist?
Wenn man ein Tier kennt, merkt man das schon. Die häufigsten Indikatoren sind, wenn die Futteraufnahme nicht mehr stimmt oder es lahmt. Dann kann es Probleme geben.

Was gibt es beim Esel für Hygienevorschriften?
Das ist relativ einfach. Es braucht eine Möglichkeit die Hände zu waschen, gerade wenn man mit Mensch und Tier zusammenarbeiten möchte. Esel sind, wie Pferde, relativ unproblematisch.

Was mache ich, wenn der Esel nicht mehr weiterlaufen will?
Die Karawane ist bis jetzt immer noch nach Hause gekommen (lacht). Es ist schwieriger, wenn es nur ein Esel ist. Zwei laufen einander hinterher. Sonst hätte ich immer eine Karotte dabei als Bestechung oder einfach Geduld. Abschleppen ist eher schwieriger (lacht).

Bild von Esel, Zoo Zürich, Robert Zingg

Bilder: Daphne Chaimovitz

1 Kommentar

  • Silvia 01/04/2019 at 2:47 pm

    Sehr interessant! Esel sind wirklich in keiner Hinsicht „störrisch“.

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