Interview mit Mike Müller

Mike Müller (54) ist Komiker, Autor und Schauspieler. Lustigerweise war ich am Tag des Interviews zwei Jahre zuvor in der Sendung «Giacobbo/Müller». Zufälle gibt’s. 😉 Zurzeit arbeitet er gerade an den lokalen Teilen seines neuen Stücks «Heute Gemeindeversammlung», liest die revidierten Drehbücher von der neuen Staffel «Der Bestatter» und hat jeden Abend Aufführung von «Giacobbo/Müller in Therapie» oder «Heute Gemeindeversammlung». Umso mehr freut es mich, dass sich Mike persönlich Zeit für ein Interview genommen hat.

Bild von Mike Müller

Wieso hast du Philosophie studiert?
Es war das einzige Fach, das mich mit 20 Jahren interessiert hat. Heute gäbe es vielleicht weitere Fächer, aber Philosophie wäre nach wie vor auch dabei.

Wie bist du zur Schauspielerei gekommen?
Ich komme aus dem Schul- und Laientheater. Schlussendlich habe ich mit Freunden eine Theatergruppe gegründet. Bis heute sind sie Veranstalter des Theaterstudios Olten, wo ich auch immer meine Stücke zeige. Sie gehören zu meinen ältesten und zuverlässigsten Freunden. Während dem Studium habe ich mich dann weiterentwickelt vom Laientheater zu halbprofessionellen Strukturen. Ab 30 war für mich klar, dass ich weiterspielen wollte und ging dann in die freie Szene in Zürich.

Wann hast du gemerkt, dass du lustig bist und gut bei den Leuten ankommst?
Das ist schwierig zu sagen. Die Erinnerung ist ein wenig ein Sauhund (lacht). Jeder hat so Erlebnisse in der Schule, wenn man zum Beispiele Sketche auswendig lernt. Dass man dann Erfolg hat, bei etwas, dass man sich selbst nicht zugetraut hat. Das ist das Problem der ganzen Workshop-Landschaft zwischen Selbsterfahrung und performativer Kunst. Es hat mich immer interessiert und deswegen habe ich auch mit meinen Freunden die Theatergruppe gegründet. Komik ist eine Branche, die an sich schon lustig ist und man unglaublich viel «Seich» machen kann.Bild von Mike MüllerWas bedeutet es dir, andere Menschen zum Lachen zu bringen?
Meiner Meinung ist das eine Form von Eitelkeit, die jeder Komiker hat. Eine Form des im Mittelpunkt stehen. Viktor und ich bezeichnen das auch gerne als «Rampensäuigkeit». Die Ambition ist, sich immer wieder von neuem dem Publikum auszusetzen und seine eigene Scham zu überwinden. Bei den Proben macht man sich immer ein bisschen zum «Löli» und dass soll auch so sein, denn man muss auch sehr hart ins Gericht gehen mit seinem eigenen Material.

Was bedeutet es dir, dass viele Leute einschliesslich mir, Giacobbo/Müller zurückhaben möchten?
Ich höre natürlich lieber das, als das Gegenteil (lacht). Aber es ist auch ein bisschen eine Krux beim Fernsehmachen, weil man eher das Positive hört. Die Beziehung zum Zuschauer ist ein Flirt und keine Liebe. So muss man es auch behandeln, sonst dreht man ab. Es hat nichts mit am Boden bleiben zu tun, sondern eine realistische Einschätzung von dem was man macht. Neun Jahre eine Sendung zu machen, bei der wir selbst alles entscheiden durften, war eine coole Zeit! Wenn mal eine Beanstandung kam, dann war es eher, dass wir nicht zu nett sein sollen. Dies ist nur möglich bei einem Sender, der einigermassen selbstbewusst ist und seinen Auftrag ernst nimmt. Dies zeigt das Rückgrat von SRF.Bild von Mike MüllerWo holst du dir die Inspiration für Rollen, die du imitierst?
Das ist eine ganz schwierige Frage. Es gibt unzählig verschiedene Wege, wie man zu einer Figur kommt, wenn man sie kreiert. Oder wenn man sie kreiert hat, sie immer wieder neu herauszufordern. Manchmal gibt es ein Feld, das mich interessiert und ich erschaffe dann dazu eine Figur. Es kommt auch darauf an, wie lange eine Figur auftritt. Je länger sie auftritt, desto raffinierter muss sie sein. Bei meinem neuen Programm «Heute Gemeindeversammlung» spiele ich neun Figuren, darunter auch eine, die gar nicht spricht. Ich mache auch keine Backstory zu einer Figur, ich wehre mich richtig dagegen. Ich kann nicht so schreiben und auch nicht spielen. Die Figur muss auch mich immer wieder überraschen. Das ist mit einer Hintergrundgeschichte schwierig.

Wie bist du zur Serie «Der Bestatter» gekommen?
Wie die Jungfrau zum Kind. Es ist, wie so oft in dieser Branche, per Zufall. Mit 30 Late-Night-Shows träumst du nicht gerade von einer Serie, sondern etwas anderem als Fernsehmachen. Ich hatte in der fünfmonatigen Pause von Giacobbo/Müller immer Bühnenprojekte. Aber man muss die Dinge ja nehmen, wie sie kommen. Die Geschichte von einem ehemaligen Polizisten der Bestatter wurde, hat mir extrem gut gefallen. Ich wurde sehr früh vom Produzenten Markus Fischer angefragt. Am Anfang gab es zwar Einwände, ob ein Komiker für diese Rolle passt. Dies ist ein altdeutschsprachiges bildungsbürgerliches Problem. Ich habe das nie verstanden, für mich ist performen performen. Langsam beginnt sich das zum Glück aufzulösen.Bild von Mike MüllerWas wäre deine Traumrolle?
Ich habe das so nicht. Bei meinem neuen Stück «Heute Gemeindeversammlung» habe ich komplett Tabula rasa gemacht und ganz neue Figuren kreiert, die man sicher nicht aus dem Fernsehen kennt.

Mit wem würdest du am liebsten einmal drehen oder auf der Bühne stehen?
Das ist eine lange Liste. Ich freue mich immer, wenn wir beim Bestatter tolle Gastschauspieler haben, wie Roeland Wiesnekker, Bettina Stucky oder Peter Lomeyer.

Gibt es etwas, dass du beruflich noch unbedingt machen möchtest?
Nein, ich möchte gerne in diesem Rahmen weiterarbeiten. Je älter man wird, desto selbstbestimmter möchte man produzieren. Ich probiere einfach auch sehr gerne aus. Solange ich diese Mischung habe zwischen Drehen und Theater bin ich sehr zufrieden. Ich habe nicht das Ziel den ultimativen Kinofilm oder die beste Serie zu machen, sondern bei jedem Projekt, aus einer Kernidee viele weitere zu generieren. Dann habe ich das Gefühl gut gearbeitet zu haben.

Was ist eines der schönsten Komplimente, die du für eine Darbietung bekommen hast?
Am meisten freut es mich, wenn ich bei einem Projekt ein wenig unsicher war, ob es funktioniert. Wenn dann das Publikum die Idee versteht und es auch schätzt, dass man ein gewisses Risiko eingegangen ist. Das sind für mich dann die schönsten Komplimente.Bild von Mike MüllerWelches Ereignis während einem Auftritt oder Dreh wirst du nie vergessen?
Es gibt natürlich ganz viele solche Ereignisse. Aber ich bin froh, dass mein Leben nicht nur aus einzelnen Ereignissen besteht, sondern aus einem Flow.

Wie erholst du dich?
Ganz normal wie jeder Mensch. Ich sehe meinen Beruf auch nicht als etwas Spezielles, sondern als Privileg hinsichtlich meiner Fähigkeiten und dem, was ich cool finde. Ich erhole mich gerne auf dem Wasser, beim Serien schauen, mit Freunden, beim Biken oder beim Kochen.

Was rätst du jungen Komikern oder Schauspielern?
Ausprobieren! Und nicht den Leuten glauben, die einem Träume versprechen. Hier in der Schweiz kann ich noch von jedem Auftritt nach Hause. Ich mag es gar nicht im Hotelzimmer aufzuwachen. Aber schon in Deutschland ist dies nicht mehr möglich. Vielen angehenden Schauspielern oder Komikern ist es gar nicht bewusst, was so eine räumliche Trennung von ihren Freunden und Familien über längere Zeit bedeuten kann.Bild von Mike Müller

Bilder: André Albrecht, Olten, Maurice Haas, SRF/Nici Jost, SRF/Sava Hlavacek, SRF/Sava Hlavacek

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