Anatole Taubman (48) ist ein internationaler Schauspieler aus Zürich und Unicef Botschafter für die Schweiz und Liechtenstein. Im Interview zum Film «Zwingli» erzählt er mir über seine Motivation bei diesem Film dabei zu sein und die Zusammenarbeit mit seinem guten Freund Max Simonischek.
Anatole durfte ich beim «Zwingli»-Set-Besuch im Februar 2018 kennenlernen. Mit seiner herzlichen Art empfing er mich wieder zum Interview und es fühlte sich so an, als ob kein Tag seit dem Februar vergangen war.
Warum wolltest du im Film «Zwingli» mitspielen?
Das Drehbuch ist für mich immer der Hauptgrund. Ich habe seine Entwicklung über zwei Jahre mitverfolgt und selten ein Drehbuch gesehen, dass innerhalb von zwei Jahren so viele Sprünge nach vorne gemacht hat. Die letzte Version, also die Drehversion, hat mich sehr berührt. Ob eine Geschichte mich berührt, ist auch mein Hauptkriterium. Billy Wilder hat einmal gesagt: «Für einen guten Film braucht man drei Dinge: Ein gutes Drehbuch, ein gutes Drehbuch und ein gutes Drehbuch». Der zweite Grund ist der Regisseur Stefan Haupt, weil ich ihn sehr talentiert finde. Ich mag seine Filme sehr und habe schon vorher zweimal mit ihm zusammengearbeitet. Die Zusammenarbeit mit ihm ist immer sehr inspirierend und befruchtend. Der dritte Grund war Max Simonischek. Er ist einer meiner besten Freunde und dann im Film sein bester Freund zu spielen und mit ihm Zeit zu verbringen, war sehr schön. Wir haben beide Familie und dann kann man leider nicht so viel Zeit miteinander verbringen, wie man gerne möchte. Viertens bin ich ein grosser Geschichtsfan und Zürcher. Es werden Themen angesprochen, die zur Zeit Zwinglis durchgesetzt wurden und unsere Schweiz heute ausmachen. Zugleich ist die Reformation nach wie vor höchst relevant, weil sie noch in so vielen Ländern und Themen durchgeführt werden muss.
Was war die grösste Herausforderung?
Ich finde es immer eine grosse Herausforderung einen Menschen, authentisch und real darzustellen. Bei Leo Jud umso mehr, weil es diese Person tatsächlich gegeben hat.
Wie war es mit Max zu drehen?
Super. Ich hoffe, er sagt das gleiche.
Sagt er!! 😊
Wir haben es geliebt. Er ist für mich ein riesen Schatz und eine Bereicherung für mein Leben. Ich bin sehr dankbar für unsere Freundschaft. Wie die Amis sagen würden: «It was a direct home run». Es war super.
Was war die grösste Herausforderung?
Ich finde es immer eine grosse Herausforderung einen Menschen, authentisch und real darzustellen. Bei Leo Jud umso mehr, weil es diese Person tatsächlich gegeben hat.
Wie hast du Leo Jud wahrgenommen?
Leo Jud war keine Rampensau wie der Zwingli. Zwingli war auch ein hervorragender Stratege und Politiker. Leo Jud kannte seine Grenzen und wusste sich zurückzunehmen, um Zwingli die Plattform zu geben, die er brauchte. Ebenfalls war Leo Jud ein besessener Gelehrter. Wenn ich mich als Teenager gefreut habe, wenn die nächste Ausgabe der Bravo erschien, freute sich Leo Jud riesig, wenn er die neuste Schrift von Erasmus bekommen hat. Im Kreis seiner anderer Mitgelehrter und mit seinem besten Freund Zwingli voller Leidenschaft, die Schriften zu übersetzen und sie dem Volk näher zu bringen, war für ihn ein Festival der Sinne. Es gab für ihn auch nichts schöneres als mit Zwingli zu musizieren. Beide waren hervorragende Musiker.
Du spielst ja oft den Bösewicht, was war der Anreiz hier auf der guten Seite zu spielen?
Ach ja (lacht). Leo Jud war ein wenig wie ein Eichhörnchen; ein feiner, stiller Beobachter. Als Schauspieler war es für mich spannend, dieses Kleine und Feine auch zu transportieren. Dies war ein grosser Anreiz für mich und ich hoffe, dass kommt auch so rüber.
War es für dich schon immer klar, dass du Schauspieler werden wolltest?
Immer nicht. Es gab ein einschneidendes Erlebnis als ich 16 war und gemerkt habe, dass ist es und nichts anderes. Sobald du dir klar bist, ist es wichtig, dass du nicht mehr loslässt und dich festbeisst, wie ein Pitbull.
Was ist deine Botschaft, die du mit dem Film vermitteln möchtest?
Dass es ohne ein Miteinander nicht geht. Die Schweiz mit ihrer direkten Demokratie und dem grossen, freien Willen, seinen Glauben selbst gestalten zu können, basiert auch auf dieser Zeit von Leo Jud und Zwingli. Ohne Leo Jud hätte Zwingli die Reformation auch nicht so über die Bühne bringen können. Zwingli war zuweilen verzweifelt und wollte aufgeben, weil er das Gesicht der Reformation war und alles abbekommen hat. Leo Jud motivierte ihn dann wieder und meinte «Jetzt erst recht!». Das Zusammenleben, dass auf Respekt, Kommunikation und den archaischen, ethischen und moralischen Grundwerten beruht, ist gerade heutzutage essentiell wichtig und wird leider viel zu schnell vergessen. Hast du den Film gesehen?
Ja, gestern.
Ich bin so gespannt. Wie hast du ihn gefunden?
Sehr gut. Ich war nur ein bisschen schockiert, weil ich mich überhaupt nicht mehr erinnern konnte, wann ich das in der Schule gehabt habe. Klar, war mir Zwingli ein Begriff, gerade als Zürcherin. Aber wenn der Schulunterricht mehr wie der Film gewesen wäre, hätte ich die Geschichte von Zwingli sicher besser in Erinnerung behalten!
Das ist interessant. Als Unicef Schweiz Botschafter bin ich auch regelmässig in nationalen Projekten involviert, bei denen ich mit Jugendlichen zu tun habe. Es war erschreckend, weil sie Zwingli oft nicht gekannt haben. Da kam auch schon die Frage: «Lebt er noch?». So etwas darf man nie vergessen, wie auch den Holocaust. Die Geschichte von Zwingli ist etwas Positives, dass weitererzählt werden muss. Deswegen finde ich es auch ganz toll, dass das Schweizerische Erziehungsdepartement sich mit C-Films zusammensetzen und Schulmaterial bereitstellen.
Leider wiederholt sich die Geschichte immer wieder und es scheint, als ob wir nichts aus ihr lernen. Wurde euch das, gerade auch während dem Dreh, wieder bewusst?
Es ist so tragisch, dass finde ich auch. Jeder ist für sich selbst verantwortlich und muss diese Verantwortung ab einem gewissen Alter übernehmen. Wenn ich mich akzeptiere und zu mir gut bin, dann strahle ich dies auch aus. Die Aufgabe ist dann, seine Werte weiterzuleben. Eines meiner Mottos ist: Prinzipien vor Persönlichkeiten. Wenn ich mit einem Dschihadisten, der alle Juden hasst, Mittag esse, dann ist er immer noch ein Mensch, dem ich mit Respekt und Anstand gegenübertrete. Ich muss mit ihm ja nicht über die Glaubensfrage sprechen.
Viel zu kurz waren die überzogenen zehn Minuten meines Einzelinterviews. Anatole ist unglaublich inspirierend und ich hätte noch so viel mehr fragen wollen. Besonders berührt hat mich der Einblick in die Freundschaft von Max und ihm.
Bilder: © Mathias Bothor/photoselection, © Ascot Elite Entertainment Group. All Rights Reserved. und Daphne Chaimovitz
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