Der deutsche Schauspieler Daniel Brühl (41) stellte mit Julie Delpy am Zurich Film Festival «My Zoe» vor. Zum ersten Mal war er auch als Produzent hinter der Kamera. Im Interview erzählt er von dieser Erfahrung und weshalb er beim Lesen des Drehbuchs zu weinen begann.
Wie hast du von der Geschichte «My Zoe» erfahren?
Julie und ich haben uns regelmässig getroffen. Sie hat mir immer von anderen Projekten erzählt, die sie verwirklichen wollte. Über diesen Stoff hat sie nie gesprochen, vielleicht weil er zu persönlich ist. Insofern war ich sehr überrascht, als sie mir einfach ein Buch in die Hand drückt und sagte, lies, du sollst den Arzt spielen. Ich sass locker flockig in einem Café in LA, wo Leute mich auch beobachten konnten, begann zu lesen und fing plötzlich an zu heulen. Dies passiert mir normalerweise nicht, weil ich nicht so nah am Wasser gebaut bin. Meine Frau war gerade schwanger und wir warteten auf unseren ersten Sohn. In der Situation hat mich die Geschichte noch mehr umgehauen. Ich war gleich angefixt von dr nachvollziehbaren Verrücktheit dieser Idee. Wenn das Kind stirbt, will man es nochmals haben und kein anderes. Was würde man tun, wenn es die Möglichkeit gäbe. Das fand ich irre.
Was ist deine Meinung zum Klonen?
Für mich ist diese Vorstellung ein Horrorgedanke, so wie ich gross geworden bin und mit den Werten, die ich erzogen wurde. Ich würde keinen Klon meines Sohnes haben wollen. Der Gedanke ist natürlich spannend und ich denke, dass es wissenschaftlich schon heute in irgendwelchen Labors möglich wäre. Vielleicht ist es in 100 Jahren ganz normal, wenn sich unsere Werte auch verschoben haben.
Es stellt sich ja auch die Frage, ob man alles machen muss, nur weil es (wissenschaftlich) möglich ist.
Ja, das ist natürlich ein zweischneidiges Schwert. In diesem Fall geht es ja auch um die Seele. Unsere Prägung durch Werte und Religion ist diese Möglichkeit ein unerträgliches Tabu. Irgendwann wird auch da die Hemmschwelle sinken. An diesem Drehbuch fand ich so speziell, dass es nicht so ein spooky science ficiton Ding ist, sondern als Drama plötzlich so ein Realismus entwickelt, dass man denkt: «Oh, was machen wir, wenn dies in drei Jahren möglich ist?». Es kommt ja so normal daher.
Was hat dich an der Rolle des Arztes gereizt?
Mich hat es interessiert, eine ambivalente Figur zu spielen. Auf der einen Seite ist er ein bisschen Dr. Frankenstein, der sehr angetrieben ist von wissenschaftlichen Ambitionen und unbedingt der erste sein will. Man sieht aber auch, dass er hadert und seine Bedenken hat.
Was sollen die Zuschauer mit nach Hause nehmen?
Ich finde, es ist ein Film, der sich lohnt gemeinsam mit Freunden anzusehen und dann über all die unterschiedlichen Themen wie, Sorgerecht, Trennung, die Zukunft, Ethik und Moral zu sprechen. Es gibt Menschen, vielleicht Männer (lacht), denen der Film sicher nicht gefallen wird. Es gibt gerade sehr viele konventionelle Filme, da ist so einer richtig erfrischend, vor allem weil die Geschichte auch immer wieder eine unerwartete Wendung nimmt.
Du bist ja mit deiner Produktionsfirma eingestiegen, nachdem kurzfristig ein Investor abgesprungen ist. Wie ist dies genau abgelaufen?
Ich habe mir gestern auch ein wenig auf die Schultern geklopft. Ich bin ein grosser Fan von Julie. Wir sind gute Freunde. Ich war so begeistert von dem Stoff und der Komplexität ihn zusammenzustellen. Ich konnte es dann nicht fassen, dass irgendwelche Idioten abgesprungen sind. Ich war damals schon in der Produktionsfirma und langsam an dem Punkt, dass ich erzählte habe, ich produziere, aber noch gar nichts produziert hatte (lacht). Umso begeisterter war ich, dass «My Zoe» mein erster Film wurde. Es macht mich irrsinnig stolz, weil es ein starker Film ist, den ich unheimlich mag.
Musste dann Julie machen, was du sagst?
Nein, sie hat leider die Hosen an (lacht). Die ist echt eine pure Chefin. Zum Glück war mein Geschäftspartner da, der strahlt ein bisschen mehr das Produzentensein aus. Ich war ja auch in einer Doppelfunktion am Set.
Wie hast du diese Doppelfunktion erlebt?
In dieser Kombination ging es. Kommendes Jahr switche ich zwischen Darsteller und Regisseur, da flattert mir schon positiv das Herz. Wie Julie dies gemacht hat, ist mir echt schleierhaft. Es ist echt eine Tour de France für einen Schauspieler, diese Rolle zu spielen. Aber dann immer nach der Szene, die anderen Schauspieler anzugucken, Anweisungen zu geben und sich selbst. Plus das ganze Drehbuch über Jahre zu schreiben, was sehr persönlich ist und an die Nieren und ans Herz geht, war für sie schon ultra heftig. Das hat man ihr auch angesehen. Die war am Ende richtig, richtig durch.
Wieso wagst du den Schritt zum Produzenten und Regisseur?
Der Wunsch war schon lange da, mehr Einfluss zu nehmen. Nicht mehr dazusitzen und zu warten, bis einem etwas angeboten wird. Manchmal gab es auch Drehbücher, bei denen ich mich als Schauspieler nicht gesehen habe, aber die Geschichte mir so gefiel, dass ich sie anders unterstützen wollte. Ich will nicht nur Filme produzieren, in denen ich mitspiele. Mit Warner Brothers in Deutschland ist eine gute Zusammenarbeit entstanden. Sie haben uns auch bei «My Zoe» sehr unterstützt.
Bilder: Andreas Rentz/Getty Images for ZFF, © 2019 Warner Bros. Ent. All Rights Reserved., Daphne Chaimovitz
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