Interview mit Jacob Matschenz

Der deutsche Schauspieler Jacob Matschenz (36) war zum ersten Mal am Zurich Film Festival und spielte im Eröffnungsfilm «Wanda, mein Wunder» den Unternehmersohn Gregi. Ein in sich gekehrter Mann, der unter dem Erwartungsdruck der Familie steht.

Bild von Jacob Matschenzz

Das Interview mit Jacob war gar nicht ausgemacht. Als ich hörte, dass er zwischen zwei Interviews frei war, wagte ich mein Glück. Vielen Dank Jacob für deine Spontanität. Wie Jacob zu der Rolle kam, was ihn daran faszinierte und wieso er rote Teppiche nicht mag, verriet er mir im Gespräch.

Wie bist du zum Cast gekommen?
Bettina hat mich einfach gefragt. Sie hatte sich die Leute ausgesucht, mit denen sie drehen wollte.

Wieso wolltest du bei diesem Filmprojekt dabei sein?
Wenn bei mir beim Drehbuchlesen sofort Bilder entstehen und Gefühle aufkommen, ich lachen kann oder es mir unangenehm ist, dann ist das für mich ein verdammt gutes Zeichen, dass es ein gutes Drehbuch ist und ein guter Film daraus entstehen kann, wie bei «Wanda, mein Wunder».

Was ist Gregi für ein Mensch?
Der Gregi kann halt nicht so richtig mit Menschen. Interessant ist, dass er mit den Vögeln besser sprechen kann als mit Menschen. Was auch sehr tragisch zu sehen ist. Für mich war es extrem spannend so jemanden zu spielen. Jemand scheitern zu sehen, hat etwas, was ich total schwierig aber auch schön finde. Es löst auf jeden Fall immer Gefühle aus.

Gregi übernimmt widerwillig die Leitung des Familienunternehmens. Er lässt sich da einfach reindrängen von der unglaublichen Erwartungshaltung seiner Familie. Er kann mit Konflikten überhaupt nicht umgehen, bricht zusammen und setzt sich danach die Maske des Firmeninhabers auf. Er hofft, damit durchzukommen. Ich glaube nicht, dass das auf die lange Sicht funktioniert. Er zwingt sich, wie sein Vater zu werden und wird deswegen wohl auch früh an einem Herzinfarkt sterben.

Bild aus dem Film Wanda, mein Wunder

Als Gregi redest Du mit den Vögeln, indem Du ihre Stimmen nachahmst – täuschend echt. Hast Du die Vogelstimmen selber nachgepfiffen?
Ich hab’s versucht und mir sehr Mühe gegeben. Dr. Uwe Westphal, ein Meister der Vogelstimmen-Imitation, hat mich dabei unterstützt. Er hat dann am Schluss die Vogelstimmen nochmals nachvertont, weil ich es nicht ganz so perfekt hingekriegt habe wie er.

Was hat dich an deiner Rolle am meisten fasziniert?
Gregi ist nicht für diese Welt geschaffen. Er könnte ja einfach auch sein Geld verdienen mit dem Tiere-Ausstopfen, dem Vogelgesang-Lernen und -Weitergeben. Aber er kommt bei dem ganzen Druck gar nicht auf die Idee. Ich finde dies faszinierend. Ich selbst habe unter diesen Erwartungshaltungen nie so gelitten. Menschen machen sich so unglücklich, wenn sie ihre unerfüllten Träume auf die Kinder projizieren. Die Probleme werden so von Generation zu Generation weitergetragen.

Gerade wenn sich das Kind für künstlerische Bereiche interessiert, hört man oft von den Eltern, lerne zuerst etwas Solides. Das war bei dir gar kein Problem?
Nein, ich habe in meiner Jugend so stark rumpubertiert, dass meine Eltern froh waren, dass ich irgendetwas gemacht habe. Hauptsache, ich sass nicht den ganzen Tag zuhause rum, sass ihnen auf der Tasche und auf den Nerven. Die Schauspielerei war auch mein Kindheitstraum. Ich habe wahnsinnig gerne Gedichte auswendig gelernt. Der Applaus und die Aufmerksamkeit haben mir gefallen. Doch der rote Teppich ist gar nicht meins.

Wie war es dann gestern für dich auf dem Teppich den Opening Film des Zurich Film Festivals und gleichzeitig die Weltpremiere von «Wanda, mein Wunder» zu präsentieren, gerade in dieser Corona-Zeit?
Ich war überrascht, wie viele Journalisten da waren trotz des schlechten Wetters und Corona. Ich dachte, das Zurich Film Festival würde kleiner ausfallen. Ich kannte es bisher nur von Aufnahmen. Es war doch ein ganz schöner Rummel auf dem Teppich und aufregend. Im dunkeln Kinosaal konnte ich dann mal ein bisschen runterkommen. Es war schön und aufregend.

Bild von Jacob Matschenzz

Den Film hast du dann angeschaut?
Ja, es war das erste Mal, dass ich ihn gesehen habe.

Wie war es sich selbst auf der Leinwand zu sehen?
Ganz schlimm, ganz schlimm. Ich mach immer den Vergleich mit dem Anrufbeantworter, wobei den die meisten nicht mehr haben. Wenn man seine eigene Stimme auf dem Tonband hört, ist das immer was ganz Unangenehmes. Das geht mir bis heute so. Mich da selber auf der Leinwand zu sehen, ist schwierig.

Das Hauptthema des Films ist die Ausbeutung von billigem Pflegepersonal aus dem Osten. Was denkst du, müsste sich ändern, damit diese Pflegerinnen nicht mehr so ausgenutzt werden?
Ich weiss nicht, wie man das ändern kann, dazu bin ich zu wenig Politiker. Was das Thema so schön zeigt, ist, dass die ganze Zeit versucht wird, die Schweinwelt der Political Correctness aufrecht zu erhalten. Wir wollen den Alten nicht abschieben, sondern holen uns eine Hilfskraft, die dann gleichzeitig noch als Putzfrau fungiert. Das Wurzel allen Übels ist das Geld, meiner Meinung nach sollte man das abschaffen.

Bild von Jacob Matschenzz

Eine Woche vor dem ZFF habe ich deinen anderen Film «Es ist zu deinem Besten» gesehen.
Oh Gott, diesen Film habe ich auch noch nicht gesehen.

Da spielst du ja einen Linksradikalen, das genaue Gegenteil zu dieser Rolle. Der will auch das Geld abschaffen wie du (zwinkert).
Genau, das ist mein Thema (lacht). Mit dieser Rolle kann ich mich gut identifizieren.

Wie suchst du dir deine Rollen aus?
Wenn ich Spass habe und es etwas mit mir macht, dann entscheide ich mich für ein Projekt. Klar geht das auch nicht immer. Ich kann mir zwar die Filmprojekte relativ gut aussuchen, aber manchmal ist es auch einfach ein Job, dann macht man es einfach fürs Geld (lacht). Kann man ja auch nicht leugnen. Auch wenn ein Film am Anfang nach Hobby und Spass klingt, kann es auch schnell in Arbeit ausarten und dann denkt man sich, hätte ich das lieber mal nicht gemacht.

Welche Rolle würdest du gerne einmal spielen?
Weiss ich nicht. Wenn ich eine Rolle lese, dann weiss ich, dass ich das spielen will. Ich mach das jetzt schon 20 Jahre und durfte schon viele ganz unterschiedliche Sachen machen.

Bild von Jacob Matschenzz

Bilder: ©Tim Hughes for Zurich Film Festival, ©Andreas Rentz/Getty Images, © 2020 Filmcoopi AG

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