Anlässlich den jüdischen Filmtagen Yesh! kam der israelische Schauspieler Yehuda Nahari Halevi (34) nach Zürich, um den Film «Incitement» vorzustellen. Darin spielt er die Hauptrolle Yigal Amir, der 1995 den israelischen Premierminister Yitzhak Rabin ermordete. Eine Tat, die das israelische Volk erschütterte und bis heute grosse Traurigkeit auslöst. Doch wieso ist es so wichtig, einen Film aus der Sicht des Mörders zu erzählen?
Interessanterweise wuchs Yehuda in derselben Nachbarschaft in Herzelia wie Yigal auf, nur ist er um einiges jünger. Eine weitere Parallele ist, dass Yigal eigentlich den Namen Yehuda hätte tragen sollen. Aber hier schliessen sich schon diese Übereinstimmungen. Yehuda ist ein positiver Mensch, der viel Yoga macht und dadurch ganz bei sich ist. Er hat mich mit einer Aussage sehr an Anatole Taubman erinnert: Egal, was eine Person getan hat, wir haben nicht das Recht sie zu verurteilen. Wir müssen nicht die Ansichten oder die Tat gutheissen, aber dürfen auch nicht mit dem Finger auf sie zeigen. Wir wissen nämlich nur sehr selten, wieso die Person so gehandelt hat. Deswegen findet Yehuda den Film auch so wichtig, weil die Menschen so auch mit einem tragischen Ereignis ihren Frieden machen können.
Wie kamst du zur Rolle von Yigal Amir?
Meine Agentin schickte mich zum Vorsprechen. Am Anfang wusste niemand, dass es sich um einen Film über Yigal Amir handelt. Beim Vorsprechen wurden die Namen geändert und es waren nicht typische Szenen, worauf man auf Amir schliessen könnte, obwohl natürlich eine Ahnung in der Luft lag. Ich traf den Regisseur Yaron Zilberman beim dritten Vorsprechen und wir spürten sofort, dass wir eine gute Verbindung haben. Das wir beide am 2. Oktober Geburtstag haben, machte es noch besser. Nach dem vierten Vorsprechen bekam ich die Rolle und dann wurde mir auch gesagt, wen ich da genau spielen werde.
Was hast du gedacht, als du erfahren hast, dass du Yigal Amir spielst?
Es hat mich sehr an die Geschichte von «Joker» erinnert, über die tragische Geschichte des Täters. Natürlich ist Yigals Geschichte keine fiktive. Ich habe mich sehr darüber gefreut, weil ich das Gefühl hatte, das könnte etwas Grosses werden.
Konntest du mit Yigal sprechen?
Nein, er befindet sich in Isolationshaft.
Was hättest du ihn gefragt?
Bereust du es nicht?! Und von dort hätte ich das Gespräch gestartet. Wieso er das gemacht hat. Durch die Recherche von Yaron und mir, können wir nachvollziehen, was ihn dazu gebracht hat, Rabin zu töten. Mich hätte interessiert, was er gedacht hatte, würde mit ihm nach dem Mord passieren. Er hat ja geglaubt, er sei der Erlöser.
Du bist so sehr in den Verstand von Amir eingetaucht, dass du nach dem Dreh psychologische Hilfe in Anspruch genommen und viel Yoga gemacht hast, um wieder dich selbst und deine innere Mitte zu finden. Gab es deswegen Zeiten, in denen du es bereut hast, die Rolle angenommen zu haben?
Nein, nie. Die Türen, die sich dank dem Film, vor allem im Ausland, für mich geöffnet haben, hätte ich mir nie vorstellen können. Es sind nur gute Dinge durch den Film und das Kennenlernen von Yaron geschehen. Ich musste offenbleiben und durfte Yigal nicht verurteilen. Sonst hätte dies meine Sichtweise so getrübt, dass ich keine gute Leistung erbracht hätte. Ich gebe mir auch Mühe, sonst keinen Menschen zu beurteilen.
Du hast erzählt, dass sich Türen für dich geöffnet haben. Welche genau?
Ich wurde in die Agentur UTA aufgenommen, einer der grössten Agenturen in Amerika. Sie schicken mich zu Vorsprechen in Hollywood. Davon träumt jeder Schauspieler. Mein Wunsch ist es in Hollywoodfilmen zu spielen. Ich bin sehr dankbar, dass dieser Film mir diese Möglichkeit eröffnet hat.
Was wäre deine Traumrolle?
Peter Pan oder Aladdin. Aber auch Rollen, wie der Joker, in dem ich wieder in tiefe Wasser tauchen und Neues aus mir herausholen kann.
Wieso findest du es wichtig, die Seite von Yigal zu zeigen?
Eine super Frage. Nur so, können wir verstehen, was einem Menschen wiederfahren muss, damit er zum Schluss kommt, einem anderen das Leben zu nehmen. Objektiv dem Geschehen folgen, ohne ihn zu verurteilen.
Wie haben die Israelis auf den Film reagiert?
Niemand wusste bis zum Filmstart, dass es diesen Film überhaupt gibt. Wir hatten einen Riesenerfolg mit etwa 200’000 Zuschauern, was sehr viel ist für Israel. Sowohl die linke als auch die rechte Seite hatte Angst vor dem Film. Für die Linken ist es der Tod von Rabin immer noch sehr schmerzlich, die Rechten befürchteten, dass die Religiösen in einem schlechten Licht dargestellt würden. Ich finde es wichtig, dass jeder diesen Film sieht, damit ein Umdenken nicht nur in der israelischen Gesellschaft, sondern auch weltweit stattfindet. Wir erleben gerade ein Chaos und grosse Unsicherheit durch den Corona Virus, dies zwingt uns kürzerzutreten und innezuhalten. Einfach mal bei uns genauer hinzuschauen, durch diesen natürlichen Einfluss von aussen, den wir gerade erleben.
Wolltest du schon immer Schauspieler werden und Filme drehen oder auf der Bühne stehen?
Nein, überhaupt nicht. Ich hatte gerade das Militär beendet und fing an in einer Bar zu arbeiten. Bei einem Familientreffen am Samstagmorgen bat mich meine Schwester, bei einem Theaterstück an dem sie arbeitete, um Hilfe. Als wir die Textpassagen durchlasen, fragte sie mich, wieso ich es nicht als Schauspieler versuche wolle. Ich fragte sie, wieso denn das? Sie hatte das Gefühl, dass ich darin gut sein werde. Dann kam es zu einem Treffen mit Eyal Cohen, dem Leiter der Schauspielschule «Haderech». Dort habe ich dann meine Ausbildung gemacht. Da wurde mir bewusst, dass dies mein Weg ist. Nach elf Jahren bekam ich nun diese Hauptrolle in einem Film, von dem jeder Schauspieler träumt.
Du spielst nicht nur in Filmen und Serien, sondern auch Theater. Machst du etwas am liebsten?
Ich liebe es zu spielen, egal wo. Ich liebe Menschen und Figuren. Wenn ich durch die Strassen gehen, schaue ich die Menschen genau an, wie sie gehen, was sie machen. Ich konzentriere mich sehr auf den Gang der Menschen, so habe ich auch meine Rolle als Yigal begonnen. Durch meine Beobachtungen sehe ich immer wieder Neues, dass ich als Schauspieler einbauen kann.
Viele Schauspieler versuchen sich auch mal als Regisseur, ist das für dich auch ein Thema?
Das weiss ich noch nicht. Aber ich schreibe an zwei Drehbüchern. Eines ist eine Serie über die Entführung von jemenitischen Kindern in den 50er Jahren, das andere erarbeite ich mit einem Freund. Ich glaube, irgendwann in meinem Leben wird es mich auch zum Regiestuhl ziehen. Aber ich habe noch viel zu geben als Schauspieler bis dahin. Ich bleibe einfach neugierig, was das Leben noch für mich bereithält.
Bilder: Or Danon, Yael Ilan, Incitement, Daphne Chaimovitz
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