Karl Spoerri (51) ist Mitgründer das Zurich Film Festival (ZFF). Seit er sich aus dem operativen Geschäft des ZFF zurückgezogen hat, ist er Filmproduzent bei Zurich Avenue. Wie es zur Gründung des Filmfestivals kam, wieso er Christian Jungen als seinen Nachfolger wollte und was ihn am Filmproduzieren reizt, erzählt er im Interview.
Wie kam es zu der Gründung des Zurich Film Festival?
2004 habe ich mit meiner Firma das progressive, digitale Filmfestival aus London onedotzero für die Schweiz lizenziert und gemeinsam mit Tim Geser haben wir es nach Zürich an die ZHdK gebracht. Es wurde ein Erfolg. Ich sass das Potential und bekamen Lust auf mehr. 2005 fand dann zum ersten Mal das Zurich Film Festival statt. Nadja Schildknecht und ich waren damals sehr naiv und der starke Widerstand aus der Kulturszene überrasche uns sehr. Selbst die Stadt Zürich wollte uns nicht. Das Establishment wollte damals nur Filmfestivals wie Locarno und Solothurn. Erst mit der Zeit merkten sie, dass es eine Ergänzung und eine Bereicherung ist.
Wie seid ihr mit diesem Gegenwind umgegangen?
Wir waren noch sehr jung und haben uns nicht davon beeinflussen lassen. Es war uns zwar nicht egal, aber der Widerstand hat uns angespornt.
Was bedeutet dir das 20-jährige Jubiläum des ZFF?
Felix Müller hat gerade ein Buch zur 20-jährigen Geschichte des Festivals geschrieben und als ich es gelesen habe, kam all die vielen Erinnerungen wieder hoch. Ein Festival aus dem Boden zu stampfen ist eine Mamut Aufgabe und ich habe mich während der Lektüre an die unzähligen Hochs und Tiefs erinnert. Mich freut es sehr, dass das Festival jedes Jahr so viel Menschen erreicht und bewegt.
Warum hast du dich entschlossen, dich aus dem operativen Geschäft des ZFF zurückzuziehen?
Es gab verschiedene Gründe. Der Hauptgrund war, dass es auch sehr viel Energie kostet, so ein Festival Jahr für Jahr auf die Beine zu stellen. Die ersten zehn Jahre haben uns alles abverlangt und Lernkurve war enorm. Wir haben uns immer weiterentwickelt. Zum 10-jährigen Jubiläum hatten wir zum ersten Mal das Festivalzentrum auf dem Sechseläutenplatz, eine Kooperation mit der Tonhalle und die Award Night in der Oper. Über weitere fünf Jahre konnten wir alles weiter perfektionieren. Irgendwann aber kommt dann der Punkt, wo es sich beginnt, zu wiederholen und dann ist es Zeit etwas Neues zu beginnen. Ich wollte unbedingt Produzieren und – inhaltlich – noch näher an den Film sein.
Wieso wolltest du Christian Jungen als deinen Nachfolger?
Wir hatten schon eine gute Zusammenarbeit über die Jahre als wir gemeinsam das Filmmagazin «Frame» herausgaben Christian und ich merkten, dass wir sehr gut zusammenarbeiten und auch ähnliche Ansichten über Filme und Festivals teilten. Zudem wollte ich einen Nachfolger, welcher mit der lokalen Szene vertraut und ein Fan des Festivals ist. Das alles war Christian. Die NZZ wollte damals einen grossen Namen aus dem Ausland aber sie haben sich dann überzeugen lassen, dass Christian die richtige Wahl war.
Was waren deine persönlichen Highlights?
Als wir zum ersten Mal mehr als 100’000 Besucher*innen am Festival zählten. Das war ein unglaublicher Meilenstein. Dann das zehnjährige Jubiläum mit dem Festivalzentrum auf dem Sechseläutenplatz. Aber wir hatten über die Jahre so viele unbezahlbare Momente, dass es schwierig ist, einzelne Events zu nenne. Mich haben immer die Publikumsreaktionen am Ende der Screenings besonders berührt. Für diese Rückmeldungen und Emotionen lebt man als Filmschaffender aber auch als Festivalmacher. Diese schöne Energie und Stimmung sind unbezahlbar.
Wie kam es dazu, dass du Filmproduzent wurdest?
Ich bin Unternehmer und wenn man produziert dann unternimmt man. Mich reizte schon immer, dass man der Motor eines Projekts ist. Deswegen geht der Oscar für den besten Film an den Produzenten und nicht an den Regisseur. Dieser Mix an Aufgaben hat mich schon viele Jahre interessiert und bietet natürlich auch viele Herausforderungen. Man braucht in dieser Branche eine gute Frustrationstoleranz, weil natürlich nicht alle Projekte gleich gut voranschreiten und so viel parallel läuft. 2022 haben Viviana Vezzani, Tobias Gutzwiller und ich die Zurich Avenue gegründet.
Auf was legt ihr bei Zurich Avenue wert, wenn ihr einen Film produziert?
Wir suchen den Mix aus Relevanz und Unterhaltung. Die Filmemacher*innen, Autor*innen- das kreative Package. Das Allerwichtigste ist das Drehbuch und darum stecken wir viel Zeit in diesen Prozess. Letztlich geht es aber beim Filme machen immer auch um das Publikum und die Machbarkeit in anderen Worten um die Finanzierung und Auswertung.
Wie oft besucht ihr die Filmsets?
Bei all unseren Produktionen sind wir immer mal wieder auf dem Set.
Hast du selbst schon einmal in einem Film mitgespielt?
Ja, also ich begann damals an der Hochschule für Gestaltung in Zürich Schauspiel, zu studieren. Nach eineinhalb Jahren nutzte ich aber die Chance, brach das Studium ab und spielte drei Jahren im Ensemble des Schauspielhauses Zürich und dann in München. Ich habe sowohl im Theater als auch im Film mitgespielt. Aber ich wusste schnell, dass nicht mein Leben lang machen will. Es war aber unbezahlbar, dass ich diese Erfahrungen sammeln durfte.
Auf welchen Film bist du besonders stolz, den du mitproduziert hast?
«Thelma», der auch am ZFF laufen wird. Darauf sind wir sehr stolz. Der Film hatte ein kleines Budget und hat gerade die 10 Millionen Marke geknackt. Universal wird den Film in die Schweizer Kinos bringen. Die Geschichte handelt von einer 94-jährigen Grossmutter, die auf einen Telefonbetrug hineinfällt und dann versucht ihr Geld wieder zu bekommen. Eine Empowerment-Geschichte, die inhaltlich und visuell super umgesetzt ist, Spass macht und (leider) eine hohe Relevanz hat. Die Hauptdarstellerin June Squibb hat mit 94 ihre erste Hauptrolle.
Bilder: Geri Born, Viviana Vezzani, Zoe Worth
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