1923 Strafverfahren wegen Tierquälereien oder anderen Tierschutzverstössen wurde 2021 in der Schweiz durchgeführt. Die Stiftung für das Tier im Recht (TIR) hat jeden einzelnen Fall überprüft. Im ausführlichen Gutachten sieht man, dass der Tierschutzvollzug gesamtschweizerisch in den letzten Jahren zwar professionalisiert wurde, in vielen Bereichen aber dennoch dringend Handlungsbedarf besteht. Es ist von einer hohen Dunkelziffer nicht verfolgter Tierschutzverstösse auszugehen, weil in der Schweiz Millionen von Tiere gehalten und genutzt werden, was mit 1923 Strafverfahren nicht übereinstimmen kann!
Haupterkenntnisse des Gutachtens
- Im Berichtsjahr ist gegenüber dem Vorjahr mit gesamthaft 1923 Fällen ein geringfügiger Rückgang um 0,7 % zu verzeichnen.
- Seit Inkrafttreten des ersten eidgenössischen Tierschutzgesetzes hat sich der Schweizer Tierschutzvollzug in den letzten 41 Jahren verbessert und professionalisiert. Bei nur fast 2000 Strafverfahren wird aber von einer hohen Dunkelziffer nicht verfolgter Tierschutzverstösse ausgegangen.
- Die Analyse der kantonalen Vollzugsstrukturen und ihrer Entscheide zeigen, wie unterschiedlich das Niveau des Tierschutzvollzugs in den Kantonen ist. Kantone, die spezielle Vollzugsstrukturen zur Verfolgung von Tierschutzdelikten geschaffen haben, verfolgen Tierschutzverstösse konsequenter und begründen ihre Strafentscheide besser.
- Die Analyse des Fallmaterials 2021 zeigt auch deutliche Unterschiede zwischen den von Tierschutzdelikten betroffenen Tierarten. Am meisten wurden Delikte an Hunden gemeldet, weil man sie auch mehr sieht und hört. Schweine oder Masthühner, die ihr Leben lang in der Dunkelheit eines Stalls eingesperrt sind, werden so von der «Normalbevölkerung» gar nicht wahrgenommen.
- Die materielle Beurteilung von Tierschutzverstössen durch die zuständigen Strafverfolgungsbehörden und Gerichte ist in vielen Bereichen noch immer mangelhaft. 2021 wurden bei reinen Tierschutzdelikten für Übertretungen im kantonalen Median Bussen von CHF 400.- ausgesprochen, obwohl das Gesetz einen Betrag von bis zu CHF 20’000.- vorsieht. Eine Freiheitsstrafe für ein reines Tierschutzdelikt wurde lediglich einmal für sieben Monate verhängt, obwohl bis zu drei Jahre möglich sind. Erhebliche Schwierigkeiten bereitet den Strafverfolgungsbehörden zudem immer noch die Abgrenzung von Tierquälereien (Art. 26 TSchG) und übrigen Widerhandlungen (Art. 28 TSchG). Sie können oder wissen einfach nicht, wann sie den richtigen Artikel verwenden müssen…
- Ferner zeigt die Auswertung des Fallmaterials, dass die Veterinärbehörden nicht selten selbst bei seit Jahren bekannten gravierenden Tierschutzverstössen entgegen ihrer Pflicht erst nach mehreren Kontrollen eine Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft erstatten – siehe Fall Hefenhofen!
Fokus: Verkehrsunfälle mit Wildtieren
Die strafrechtliche Beurteilung von Wildtierunfällen im Strassenverkehr stand dieses Jahr bei der Analyse im Fokus. Unfälle mit Wildtieren müssen umgehend der Polizei oder dem zuständigen Wildhüter gemeldet werden. Wer dieser Meldepflicht nicht nachkommt, macht sich nicht nur wegen eines Verstosses gegen das Strassenverkehrsrecht, sondern meistens auch wegen Tierquälerei durch Unterlassen strafbar. Die Untersuchung zeigt auf, dass in der gesamten Schweiz lediglich 47 Strafentscheide im Zusammenhang mit unterlassenen Meldungen von Wildtierunfällen ergangen sind, was angesichts der Tausenden von Wildtieren, die jährlich durch Verkehrsunfälle verletzt oder getötet werden, auf eine hohe Dunkelziffer nicht gemeldeter Unfälle hinweist. Da die Missachtung der Meldepflicht zur Folge haben kann, dass das Tier unnötig lange leidet und letztlich qualvoll verendet, handelt es sich hierbei um einen äusserst schwerwiegenden Tierschutzverstoss! Die Analyse belegt zudem, dass die Strafbehörden die betreffenden Fälle oftmals nicht korrekt beurteilen. Als Folge davon kommen die Täter vielfach mit zu milden Strafen davon oder bleiben sogar ganz straflos. Eine Ungeheuerlichkeit!
Bilder und Video: Daphne Chaimovitz
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