Alina Russ (34) wohnt seit zehn Jahren in Zürich und kommt ursprünglich aus der Nähe von Baden-Baden. 2017 gründete sie LoLa’s Kitchen und backt hauptsächlich roh-vegane Kuchen. Wieso ihr diese Form des Veganismus so wichtig ist, woher sie ihre Inspiration für neue Kuchen nimmt und wer mal ein Kuchenstück kosten soll, verrät sie mir im Interview.
Wieso hast du dich entschieden vegane Kuchen zu backen?
Ich vertrage seit Geburt keine Milch und kein Mehl. Mein Vater ist Typ 2 Diabetiker und es tat mir immer leid, dass er keine süssen Alternativen hatte. Wenn ich normale Kuchen gegessen hatte, musste ich immer eine Lactat Tablette nehmen oder hatte Magenprobleme. Meiner Meinung nach sollte jeder Mensch, wenn er ein Leiden hat oder einen gewissen Lifestyle lebt, eine Alternative finden. Das Optische spricht mich immer zuerst an, aber dann sollte es auch vor allem im Geschmack überzeugen. Als mir die Idee zu den veganen Kuchen kam, habe ich gerade in Lissabon gewohnt, wo mit viel Fleisch, Milch, Butter und Mehl gekocht wird. Ich wollte dann einfach mal zeigen, wie ich mich ernähre. Als ich mit LoLa’s Kitchen 2017 angefangen habe, bin ich auf grosse Begeisterung gestossen.
Bist du Veganerin?
Nein, nicht 100%. Für mich selbst koche ich schon vegan, aber wenn ich meine Eltern oder meine Oma auf dem Hof besuche, dann weiss ich, wo das Fleisch herkommt. Wobei ich eher Käse esse als Fleisch.
Wieso sind viele deiner Kuchen roh-vegan?
Es ist mir sehr wichtig eine Alternative anzubieten, weil ich ja selbst eine Glutenunverträglichkeit habe. Ich ernähre mich hauptsächlich von Früchten und Gemüse, und esse höchstens einmal am Tag gekochtes Essen.
Bist du Konditorin oder was hast du ursprünglich gelernt?
Ich bin gelernte Restaurantfachfrau mit Koch als Zusatzausbildung. Mit 16 habe ich in der Küche auf dem Beilagen- und Dessertposten gearbeitet, um mein Taschengeld zu finanzieren. Später habe ich dann BWL mit Fachrichtung Marketing studiert und war in vielen Hotelketten weltweit im Marketing tätig.
Woher kommt deine Leidenschaft fürs Backen?
Ich finde es einfach geil (lacht). Ich habe für mich keine Desserts gefunden. Obwohl ich eher eine salzige Person bin, gabs seit ich Kind bin immer was Süsses nach dem Essen. Ich hatte dann immer ein schlechtes Gewissen, wenn ich ein Eisbecher reingehauen habe, weil mein Körper es nicht verträgt. Wenn ich aber meine Lola Cakes esse oder sonst roh-vegane Kuchen, habe ich das Gefühl meinem Körper etwas Gutes zu tun. Für mich bedeutet Backen Kreativität und mit dieser Art zu backen, zu einer besseren Welt beizutragen.
Über welches Feedback freust du dich am meisten?
Wenn Menschen ein Glitzern in den Augen haben, weil sie dank LoLa’s Kitchen wieder etwas Süsses essen können. Gerade heute Mittag hat eine Kundin die Avocado Toast Box geholt. Sie war so glücklich, weil sie Laktose und Gluten nicht verträgt und sich so endlich etwas zum Mittagessen holen kann.
Wo holst du dir die Inspiration für deine Kuchen?
Ich lese sehr viel, das ist mein allergrösstes Hobby. Dank meiner Tätigkeit in der Hotellerie hatte ich auch die Chance in ganz vielen Ländern zu arbeiten und dort unterschiedlichste Gerichte kennenzulernen. Mit Essen kommt man überall in Verbindung. Ich liebe es zu essen. Natürlich surfe ich auch im Internet und finde da immer wieder Neues. Tatsächlich kommen auch viele Inputs von Gästen, die fragen, ob wir nicht einen bestimmten Kuchen haben. Ganz wichtig ist auch mein Team, das ihrer Kreativität freien Lauf lassen kann und mit Ideen kommt. Ein Mitarbeiter hat innerhalb von zwei Wochen drei neue Kuchen herausgebracht.
Auf welche Kreation bist du besonders stolz?
Auf den Snixers. Das Snickers war mein absolutes Lieblingsprodukt als Teenager. Ich bin ein Chocolate Junkie. Bis wir den Snixers so hatten, wie wir ihn wollten, hat es gut zweieinhalb Jahre gedauert. Es gibt total viele Komponenten, auf die man achten muss. Wie viel Schokolade braucht es oder wie müssen die Nüsse karamellisiert werden. Irgendwann ist man auch an dem Punkt, dass man überkreiert. Aber jetzt ist er genau so, wie wir ihn wollten. Auf den bin ich super stolz!
Für wen würdest du am liebsten einmal backen?
Ich würde gerne für Christina Tosi backen. Sie hat Milk Bar in den USA gegründet und ist eine Sterne-Patissierin. Ich bewundere sie sehr, weil sie es geschafft hat, alleine und aus eigenen Kräften ein sehr grosses Unternehmen aufzubauen. Ich durfte schon zu ihr. Ich möchte gerne ihr Feedback einholen, weil sie sich sehr gut mit Geschmäckern auskennt. Sie backt mit den üblichen Inhaltsstoffen, Zucker, Butter, Mehl und Eiern, deswegen nimmt es mich wunder, was sie zu meinen Kuchen sagen würde.
Was wünschst du dir, dass deine Kunden erleben, wenn sie deine Kuchen geniessen?
Ich bin in der Sternegastronomie gross geworden. Für mich gibt es kein Nein zu einem Gast. Es gibt so oft die Momente, dass man durch den optischen Eindruck eine Erwartung hat und dann enttäuscht ist, wenn man reinbeisst. Wir arbeiten sehr stark daran und sind ständigen in der Veränderung, damit der Geschmack auch wirklich stimmt. Durch unser tiefes Verständnis und Wissen über die Lebensmittel und deren Zubereitung schaffen wir das. Ich beschäftige nur gelernte Leute, vor allem Veganer oder auch Menschen aus dem sozialen Bereich, die Verständnis haben für Menschen mit einer Unverträglichkeit. Zudem berate ich mich auch mit Ernährungsberatern. Mir ist es wichtig, dass meine Kunden spüren, dass wir gerne die Verantwortung übernehmen.
Was möchtest du beruflich noch unbedingt erreichen?
Mein Ziel ist es, dass jeder Mensch in der Schweiz Zugang zu unseren Kuchen hat. Ob das in Form von Läden ist oder wir in die ganze Schweiz ausliefern, hängt auch von der Entwicklung von Corona ab.
Wie viele Mitarbeiter beschäftigst du?
Mittlerweile sind es vier festangestellte Mitarbeiter und vier auf Projektbasis. Wir haben gerade auch Stellen offen.
Wie engagierst du dich sonst noch?
Ich achte doch als allerstes auf mich. Und wenn ich auf mich achte, kann ich doch auch auf mein Drumherum achten. Ich glaube fest an, what comes around comes around. Dies gilt für Menschen, die Erde und das Essen. Aufgrund von lebensmittelrechtlichen Zulagen können wir nicht komplett auf Verpackungen verzichten. Aber wenn wir einen Beitrag dazu leisten können, dass die Kunden ihre eigene Verpackung mitbringen, dann unterstützen wir das. Es freut mich sehr, dass die Leute da mitdenken und mitmachen, denn zusammen sind wir mehr als einer.
Es ist ein ganz wichtiger Mindset-Punkt als Unternehmer, dass man spendet. So kriegt man, meiner Meinung nach, ein Bewusstsein für Geld, Verantwortung und Zusammengehörigkeit. Ich unterstütze und sponsore viele Events. Wir haben zum Beispiel den ganzen Umsatz des Monats Juli der Schweizer Glückskette gespendet, weil sie vielen Corona-Betroffenen hilft. Ich bin pro Synergien und pro zusammen Sachen bewegen. Essen verbindet Kulturen und Menschen, deswegen ist mir dies sehr wichtig.
Was würdest du jemandem raten, der gerne selbst so einen Shop eröffnen möchte?
Ich würde der Person sagen, dass sie sich den Mut behalten soll, sehr viel Disziplin und Glaube in sich selbst haben muss und ein gutes, finanzielles Polster (lacht).
Bilder: David Biedert
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