In der Neuverfilmung von Jeremias Gotthelf Novelle «Die schwarze Spinne» spielt Anatole Taubman (51) den Karrenmacher, den Teufel. Was er am Teufel faszinierend findet, was ihm besonders an der Geschichte gefällt und welche Bedeutung sie gerade in der jetzigen Zeit hat, berichtet er mir im Interview in Zürich. Es war sehr bereichernd, wieder einmal mit Anatole zu plaudern.
Was hat dich an der Rolle des Karrenmachers gereizt?
Ich sage es einmal so, was reizt einen nicht am Teufel? Ich finde, es reizt alles an ihm. Als mich Markus Fischer angefragt hat, habe ich sofort zugesagt. Ich bin der Überzeugung, das Böse kommt nicht von aussen, sondern ist in uns drin. Das Böse ist von Menschen geschaffen.
Hast du vorher Gotthelfs Novelle gelesen?
Ja, in der Schule. Zum Film habe ich dann auch versucht, den Ursprung des Teufels zu ergründen, auch weil ich ein Literaturfan bin. Ich bin in der griechischen Mythologie bei Pan gelandet. Pan war der Gott der Natur, der Fürst des Waldes, ein guter Gott. Er hing mit dem Weingott Dionysius ab und machte Party in den Wäldern. Pans Problem war, dass er hässlich war. Alle Sirenen und Göttinnen hatten Angst vor ihm. Pan neckte, erschreckte und formte sie zu einer Panflöte. Da fing die Veränderung der Wahrnehmung an und der böse Teufel wurde erschaffen.
Bei den Römern machte die Kirche die Natur zum Bösen. Der Mensch braucht ein Bild für das Böse. Als im Mittelalter sich die Leute die Köpfe einschlugen und die Raben sich an den Leichen bedienten, wurde er das Symbol dafür. Aber was für ein intelligentes und schönes Tier der Rabe doch ist!
Obwohl deine Rolle einen sehr wichtigen Teil der Geschichte ausmacht, bist du nur in wenigen Szenen zu sehen. Wieso wurde das so gewählt?
In der Novelle von Gotthelf kommt er auch nur pointiert vor. Für mich war das völlig ok. Ich finde es spannend, weil der Teufel ja allgegenwärtig ist. Er kommt dreimal vor. Im Film kommt es mir so vor, als ob der Teufel in einer Schaltzentrale sitzt, völlig losgelöst von Raum und Zeit und nach dem nächsten Problem der Menschen Ausschau hält, dass sie nicht selbst lösen können. Dann bietet er seine Hilfe an und bekommt dafür das ungetaufte Kind. Der Teufel braucht ja auch Nachkommen. So profan habe ich mir das vorgestellt.
Dann gab es in der Schaltzentrale eine Meldung, dass in Sumiswald im 13. Jahrhundert Hilfe benötigt wird. Der Teufel verkleidet sich als Karrenmacher und macht seine Aufwartung. Die spannende Frau interessiert ihn auch und so will er sie um den Finger wickeln. Meiner Meinung nach ist alles vom Teufel minutiös geplant. Ich sehe ihn als dynamisch, modernen Renaissance-Man. Ich hätte ihn aber im Film anders gekleidet. In der ersten Szene eher als Karrenmacher, in der zweiten als Fürsten, damit die Leute den Eindruck haben, dass er Geld hat. In der dritten Szene hätte ich ihn teuflischer gemacht, vielleicht mit Beinen eines Stiers oder dem typischen Schwanz. Diese Vorstellung habe ich vom Teufel.
Was gefällt dir besonders an der Geschichte?
Ganz toll finde ich, dass Jeremias Gotthelf und auch Markus eine moderne und dynamische Frau als Stilmittel genommen haben. Früher wurden solche Frauen als Hexen verbrannt, weil die Menschen vor ihnen Angst hatten. Dabei sind sie die Vorreiterinnen der Homöopathie. Ich finde dies ein sehr moderner Gedanke und es passt natürlich auch in die MeToo-Bewegung. Auch sehr mutig von Gotthelf, dass er 1842 die Frau als Barometer der Zeit gewählt hat.
Welche Botschaft möchtest du, dass die Zuschauer mit nach Hause nehmen?
Die Problematiken des Films von Kollektivschuld, Verantwortung und Zivilcourage sind so zeitlos. Bei Gotthelf war es noch viel mehr in Sachen gottgerecht sein, heute ist dies ein wenig anders. Der Film bedient diese Problematiken sehr gut und es widerspiegelt die Realität. Gerade jetzt mit dem Krieg in Europa.
Ich finde es auch immer wieder ernüchternd. Im Film wird Christine zuerst gefeiert, weil sie es geschafft hat, das Problem zu lösen. Als es dann nicht mehr so gut lief, ist sie an allem alleine schuld.
Ja, genau wie in der Gesellschaft jetzt. Es hat auch viel mit Egoismus und Narzissmus zu tun. Solange es mir hilft, ist alles super. Wenn es mir wieder schlecht geht, sind die anderen schuld, nicht ich.
Was ist es für ein Gefühl, einen Film, der in der Vergangenheit spielt, zu drehen?
Ich war nicht viel am Set und dann eher bewusst für mich. Meiner Meinung nach kommt die Zeit des 13. Jahrhunderts im Film sehr authentisch rüber. Alle tragen so eine Schuld mit sich, alle gehen gebückt, man spricht wenig, man bewegt sich langsam, dies unterstützt die Kostüme wahnsinnig. Deswegen dreht man so einen Film in Ungarn, weil sie so versiert sind in den handwerklichen Berufen wie Kostüme, Maske, Produktion- und Set-Design sowie Art Direction. Es geht also nicht nur um Steuervorteile. In der Schweiz hätte man den Film nie so drehen können, weil Sumiswald viel zu sauber und zu schön aussieht. In einem Land wie Ungarn sieht es heute auf dem Land genauso aus.
Darfst du schon etwas zu deinen nächsten Projekten verraten?
Nein, kann ich nicht. Nur soviel, eine Produktion ist eine fünfteilige Serie, in erster Linie für den deutschsprachigen Raum und die andere ist ein Film für NENT (Nordic Entertainment Group). Dies könnte ein ernsthafter Konkurrent für Netflix werden.
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