Der israelische Regisseur, Drehbuchautor und Produzent Guy Nattiv (51) aus Tel Aviv stellte am Filmfest München seinen neuen Film «Tatami» vor, bei dem die iranische Zar Amir Ebrahimi ihr Regiedebut gibt. Eine israelische-iranische Co-Regie gab es noch nie und ist ein inspirierendes Zeichen für den Frieden. Was Guy an der Geschichte des iranischen Judoka Saeid Mollaei interessierte, weshalb er Zar ins Boot holte und wieso es ein schwarzweisser Film ist, erzählte er mir in einem herzlichen Interview im Hotel Bayerischer Hof in München.
Wie kam es zu diesem Film?
Während der Pandemie 2020 schrieb ich das Drehbuch über die Geschichte der Judokas Saeid Mollaei und Sagi Muki, ebenfalls über zwei männliche Protagonisten. Weil ich kein Iraner bin, suchte ich nach jemandem mit dem ich mich austauschen konnte. Als ich den Kontakt mit Zar begann, startete auch die «Woman, Life, Freedom» Revolution im Iran. Immer mehr iranische Sportlerinnen erhoben ihre Stimme und machten mit. Da entschied ich mich für weibliche Judokas in meiner Geschichte.
War es von Anfang an klar, dass du mit jemandem aus dem Iran Regie führen wolltest?
Ich wusste, dass ich die Regie nicht alleine führen kann, weil ich kein Iraner bin, sowie die Mentalität und Sprache nicht kenne. Mit wem ich mich austauschen wollte, wusste ich noch nicht. Als ich «Holy Spider» mit Zar sah und hörte, dass sie auch Regie führen möchte, schlug ich ihr das vor. Ich sagte ihr, entweder wird’s super oder nicht (lacht). Zu meinem Glück wurde die Zusammenarbeit grossartig.
Was hat dich an der Geschichte gereizt?
Manchmal siehst du etwas in den Nachrichten und weisst, das ist ein Film. Manchmal kann es vielleicht eine Idee für einen Film sein. Bei dieser Geschichte war mir klar: Eine Nacht, eine Sportart, ein Standort, 24 Stunden, Boom. Zu Beginn schrieb ich das Drehbuch als Kurzfilm. Meine Co-Produzentin Adi Ezroni sagte mir, das ist ein Spielfilm. Sie organisierte mir die Finanzierung, dass ich das Drehbuch für einen Spielfilm schreiben konnte und wir holten Elham Erfani ins Boot.
Wie war die Zusammenarbeit mit deiner Frau Jamie Ray Newman?
Ich traf meine Frau zum ersten Mal in einem Café in Tel Aviv und wusste sofort, diese Frau will ich heiraten. Sehr schnell fanden wir heraus, dass wir die gleichen Filme mögen und wir kein Ego haben, deswegen funktioniert unsere Zusammenarbeit so gut. Wir haben auch nicht die gleichen Aufgaben. Sie ist Schauspielerin und Produzentin, ich bin hauptsächlich Regisseur und Drehbuchautor.
Wieso ist der Film schwarzweiss?
Weil das Leben der Protagonistinnen schwarzweiss ist. Es gibt nur ja und nein, nichts dazwischen.
Wie habt ihr die Schauspieler ausgewählt?
Zar organisierte das Casting, was sie auch schon bei «Holy Spider» tat. Sie ist super vernetzt mit den iranischen Filmschaffenden, die alle im Exil leben müssen.
Wie kamt ihr auf die iranische Hip-Hop Musik?
Bei der «Woman, Life, Freedom» Revolution gibt es viele Iranerinnen, die Hip-Hop Musik machen. Ich wusste das nicht. Als ich das erfuhr, fand ich es mega cool. Sie müssen dies leider versteckt im Iran machen.
Welche Botschaft möchtest du, dass die Zuschauer mit nach Hause nehmen?
Ich möchte, dass sich das Publikum sollte sich mit dem Wunsch der Protagonistin identifiziert, frei zu sein und für ihre Freiheit zu kämpfen. Dass die Leute diese verrückte Welt verstehen, in der wir gerade leben, in der Regierungen ihren Bevölkerungen Lebensweisen aufzwingen, die diese nicht wollen. Am meisten wünsche ich mir, dass sich die Zuschauer mit der Protagonistin identifizieren.
Auch die Zusammenarbeit von Zar und mir ist eine Botschaft. Eigentlich sollten wir Feinde sein, doch durch diesen Film wurden wir wie Bruder und Schwester.
Das ist ein wunderschönes Zeichen, dass ihr setzt!
Danke.
Was sind die Zuschauerreaktionen bis jetzt?
Ich komme gerade aus Biarritz in Südfrankreich. Wir bekamen eine zehn minütige Standing Ovation!
Wow, grandios!
Du hättest das sehen müssen. Unglaublich schön!
Wie sind die Reaktionen aus Israel?
Der Film wird Mitte Juli am Jerusalem Film Festival seine israelische Premiere feiern und kommt Ende Juli in die Kinos, aber die Israelis wollen den Film unbedingt sehen.
Was rätst du angehenden Regisseuren?
Es hilft sehr, mit Kurzfilmen zu beginnen. Es ermöglicht einem, eine Idee in einem kurzen Format zu erzählen. Daraus kann man dann auch einen Spielfilm machen. Es ist wichtig, Filme zu drehen, die etwas für unsere Welt bedeuten und nicht nur der Unterhaltung dienen.
Bilder: Guy Nattiv, © 2024 by Praesens-Film. All rights reserved, Daphne Chaimovitz
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