Interview mit Maria Brendle, Julia Buchmann und Marlene Tanczik

Regisseurin Maria Brendle (41) sowie die Schauspielerinnern Julia Buchmann (29) und Marlene Tanczik (31) des Films «Friedas Fall» berichten mir im Interview über die Botschaft des Films und den Bezug zu heute. Danach ging es an die Weltpremiere dieses herausragenden Films am Zurich Film Festival.

Bild von Cast und Crew «Friedas Fall»

Maria, was fasziniert dich an wahren Geschichten, die von unterschiedlichen Frauenschicksalen handeln wie auch bei deinem anderen Film «Ala Kachuu»?
Maria: Ich hatte schon immer ein Problem mit Ungerechtigkeit. Als Filmemacherin habe ich die Möglichkeit, diese Geschichten zu erzählen. Wenn ich den Drang spüre gegen so eine Ungerechtigkeit anzugehen, dann wächst meistens eine Geschichte daraus. Im Fall von Frieda wurde das Drehbuch an mich herangetragen und ich wollte, dass ihre Geschichte nicht vergessen wird. Leider haben wir ja auch noch heutzutage mit ähnlichen Dingen zu kämpfen auf dieser Welt.

Absolut. Der Film wurde mit englischen Untertiteln gezeigt und ich weiss nicht, ob es mir sonst aufgefallen wäre. Bei der Mahnwache wurde ein Schild mit «Woman – Life – Freedom» übersetzt, was ja der Slogan der iranischen Frauen ist. Wurde dies bewusst so übersetzt?
Maria: Ja, hier habe ich darauf verzichtet historisch korrekt zu sein und eine kleine Botschaft eingebaut, die uns Frauen auf der Welt verbindet. FRIEDAS FALL ist vor 120 Jahren passiert, aber noch heute demonstrieren wir weltweit für unsere Rechte. In der Schweiz müssen wir zwar als Frauen nicht zwingend um unser Leben fürchten, wenn wir das Haus verlassen, aber es gibt leider noch Orte auf der Welt, an denen das so ist. Dies ist eine kleine Botschaft von mir, dass wir bezüglich der Gleichberechtigung noch weitermachen müssen und auch noch an ähnlichen Punkten stehen.

Marlene: Ich finde es auch spannend, weil man ja sagen könnte, es ist nur ein historischer Film und man sieht, wie viel wir schon erreicht haben. Aber man erkennt auch klar, was es zu verlieren gibt! Wenn man sich den Rechtsruck anschaut, wird mir auch immer wieder bewusst, dass wir die Demokratie nach wie vor verteidigen müssen. Wir wissen, wie es einmal war und auch in welche Richtung es wieder gehen könnte.

Bild von Maria Brendle «Friedas Fall»

Wie hofft ihr, kann dieser Film unterstützend wirken?
Julia: Dieser Film zeigt zuerst einmal das historische Abbild jener Zeit. Mit den Bezügen zu heute hat er aber eine universelle Strahlkraft und man spürt, dass da ein Kampf und ein Geist drin sind, die auch jetzt gelten und herrschen. Es hat sich zwar viel geändert in den letzten 120 Jahren, aber viel ist dann doch noch erschreckend aktuell. Der Film hat eine grosse Kraft, dies als Abbild zu zeigen. Ich hoffe sehr, dass die Zuschauenden nach dem Film darüber sprechen und auch eruieren, was hat sich geändert und welches Gedankengut zum Beispiel ist noch gleich. Der Film ist auch nicht moralisierend, sondern beleuchtet einfach die unterschiedlichen Meinungen und Ansichten. Das finde ich sehr interessant.

Was war das Anspruchsvollste an der jeweiligen Rolle?
Julia: Bei Frieda war für mich ein grosser Anspruch, diese Figur zu verstehen und nicht für ihre Tat zu verurteilen. Die Moralfrage hat mich weniger interessiert. Ich habe mich zuerst auf die Fakten gestützt, um dann mit Fantasie ihr Handeln und Streben zu füllen. Frieda hatte viele Träume, aber in dieser Gesellschaft und durch die Situation des Übergriffs resultierend, wird sie zur Täterin und dann zur Kämpferin, die versucht, ihre Stimme für sich zu nutzen. Als Spielerin war es für mich eine wundervolle Herausforderung, diese Facetten hineinzubringen, auch oft ohne Worte.

Das ist dir auch sehr gut gelungen!
Julia: Dankeschön. Das freut mich sehr!

Bild von Julia Buchmann «Friedas Fall»

Marlene: Gesine finde ich so toll, weil sie modern und unkonventionell ist. Mir hat es sehr viel Spass gemacht! Mit der Zeit wächst auch das Interesse am Fall ihres Mannes und sie versucht sich einzubringen. Sie reizt auch die Grenzen, die ihr als Frau gesetzt werden, ziemlich aus. So bringt sie sich zum Beispiel das Fahrradfahren bei. Das war wirklich herausfordernd mit diesem Kostüm auf dem historischen Fahrrad zu fahren (lacht).

Keine Unfälle am Set?
Marlene: Nein, aber das war eine Herausforderung (lachend).

Da dachte ich wirklich, was Frauen durften nicht mal Fahrradfahren?
Marlene: Wahnsinn, es wurde ja behauptet, das mache unfruchtbar.

Maria: Dieser Fakt kam während der Recherche raus. Wichtig ist auch, dass die Figuren das nicht aus der heutigen Sicht anschauen, sondern mit dem Wissen und dem Verhalten von damals. Das haben die Beiden sehr toll gemacht!

Julia: Heute kann man darüber lachen, aber damals war das beängstigend.

Absolut, damals war ja das auch die Aufgabe der Frau, Kinder auf die Welt zu bringen. Also ja, solange sie ehelich waren.

Bild von Julia Buchmann und Marlene Tanczik «Friedas Fall»

Was sollen die Zuschauer mit nach Hause nehmen?
Marlene: Was mich sehr berührt, ist die Solidarität zwischen den Frauen. Dieses Thema kommt an so vielen Ecken auf. Hilfe anzubieten und füreinander da sein.

Maria: Dies ist der wichtigste Punkt, dass sie den Menschen hinter der Tat betrachten. Manches könnte verhindert werden, wenn man eine helfende Hand reicht. Deswegen ist es wichtig, dass wir in der Gesellschaft umdenken, empathisch handeln und nicht vorverurteilen.

Was mich zum einen gefreut, aber auch verwundert hat für diese Zeit, dass beide Männer Walter Gmür und Arnold Janggen überhaupt mit ihren Frauen über den Fall gesprochen haben.
Maria: Natürlich, das sind Ehen auf Augenhöhe. Wieso sollten sich die Männer nicht mit ihren Frauen austauschen? Sie haben beide interessierte, intelligente Ehefrauen, die kein Blatt vor den Mund nehmen und andere Denkanstösse liefern.

Bild von Maria Brendle und Julia Buchmann «Friedas Fall»

Bilder: ©Jonas Wiemann_for ZFF, ©Joshua Sammer (Getty)_for ZFF

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