Die beiden Schweizer Schauspieler Anatole Taubman (52) und Dimitri Stapfer (34) stehen zum ersten Mal gemeinsam vor der Kamera. In der ersten Schweizer Netflix-Koproduktion «Early Birds» spielen sie zwei Polizisten. Dass die Beiden sich erst kurz vor Drehbeginn kennengelernt haben, glaubt man kaum. Diese tiefe Verbundenheit und gegenseitige Würdigung haben mich während dem Interview immer wieder sehr berührt.
Wie ist es zusammen zu drehen?
Anatole: Sensationell.
Dimitri: Oh ja!
Anatole: Es ist sehr erfrischend und bereichernd.
Dimitri: Wir funktionieren sehr ähnlich, das ist grandios. Ich kannte Anatole auch nur vom Fernsehen. Als ich wusste, er spielt mein Chef, war es mir wichtig, ihn nicht erst auf dem Set kennenzulernen. Wir gingen zusammen essen, haben kurz und bündig unsere Rollen abgeglichen, danach gings ums Leben und die Liebe (beide lachen). Dieses Vertrauen ist auch super wichtig als Schauspielpartner, damit wir die Rollen authentisch rüberbringen können.
Anatole: Es ist deswegen so wichtig, weil wir im Film schon zwei Jahre miteinander zu tun haben. Dimitri spiel meinen Junior, den ich mir ausgesucht habe.
Dimitri: Thomas Roland, die Rolle von Anatole, ist eine Legende und es ist eine grosse Ehre mit ihm zusammenzuarbeiten. Dies ist aus der Perspektive meiner Rolle sehr spannend, wie sich dies im Laufe des Films entwickelt und ich mit seiner Arbeitsweise nicht mehr wirklich übereinstimme.
Ich wollte gerade sagen Anatole, sonst spielst du ja immer den Bösewicht. Aber ich habe gelesen, es geht ja auch um korrupte Polizisten.
Anatole: Ich bin gar kein Lieber. Meine Rolle ist eine sehr komplexe Persönlichkeit. Ein Top Polizist, seit 25 Jahren dabei, hochintelligent und fokussiert. Auf der anderen Seite hat er sein grosses Gepäck, dies macht ihn dann zum Broken Hunter. Eine sehr fragmentierte Seele, dies kommt immer mal wieder hervor und ist für die Beteiligten nicht gerade einfach.
Dimitri: Dort treffen sich unsere Rollen. Auch Stefan ist durch und durch Polizist. Wäre er aber nicht Polizist, wäre er höchst wahrscheinlich auf der anderen Seite des Gesetzes gelandet. Dies zieht sich durch den ganzen Film, dass alle Rollen auf Messerschneide wandern. Es ist ein Film mit viel Adrenalin, ein Roadmovie, ein Thriller. Er startet in Zürich, geht raus in die ganze Schweiz und endet wieder an der Langstrasse. Er nimmt auch das Leben der Langstrasse sehr auf.
Anatole: Im Herzen ist es ein Film über Frauenfreundschaft. Das finde ich total faszinierend. Zwei Frauen, die beide in ihrem Leben sehr viele Probleme haben, treffen zusammen und bereichern sich an etwas, das ihnen nicht gehört, um ein besseres Leben zu haben. In erster Linie müssen sie gemeinsam klarkommen, wie sich diese Freundschaft und der Respekt entwickelt, dass man dem auch so viel Zeit und Raum im Film gibt, ist für mich das Herzstück des Films.
Als wir beim Dreh zusehen konnte, hat Anatole gerade jemanden auf den Boden gelegt und verhaftet. Hattest du explizites Training dafür oder konntest du das schon?
Anatole: Nein, es ist auch für mich persönlich eine grosse Herausforderung gerade als Pazifist.
Dimitri: Das hat aber nicht so ausgesehen eben (alle lachen).
Anatole: Ich durfte mit Profis Karate trainieren. Das war sehr toll. Es war üben, üben, üben, dass es dann am Drehtag perfekt sitzt. Auch toll das Oliver Keller unser Stunt-Koordinator vor Ort ist. Ebenfalls konnte ich mit der KriPo Zürich zusammenarbeiten, damit alles so authentisch wie möglich ist.
Mega cool Dimitri, du bist gerade bei so vielen Projekten dabei. Gratuliere! Merkst du einen Unterschied, weil es eine Koproduktion von Netflix ist?
Dimitri: Nein, weil ich gehe jede Rolle gleich an, egal ob es ein Studentenfilm ist oder eine Netflix-Produktion. Die Kunst des Schauspiels ist die Authentizität und dort gehst du hundert Prozent rein. Es geht um Qualität. Persönlich habe ich natürlich schon sehr Freude, dass ich Teil der ersten Koproduktion von Netflix sein darf. Noch toller ist aber mit guten Leuten zusammenzuarbeiten. Michael Steiner ist ein dynamischer Regisseur, Anatole von dem ich lernen kann.
Anatole: Man kann auch immer zu Michael mit Ideen kommen. Die Beziehung unserer Charaktere ist im Drehbuch dünn. Wir gingen zum Regisseur, sassen zu dritt zusammen und konnten da noch mehr Tiefe einbauen.
Silvana und Nilam schätzen Michael auch sehr für seine Offenheit für Vorschläge.
Dimitri: Michael ist unglaublich schnell, dynamisch und entscheidungsfreudig. Dies gibt ein gewisses Tempo, was dieser Film braucht. Anatole und ich mögen das auch (alle lachen). Trotzdem nimmt sich Michael Zeit, wenn man mit ihm über etwas sprechen möchte. Aber man muss die Zeit einfordern.
Anatole: Das ist wirklich toll, wenn man mit Michael etwas bespricht, dann hat man seine volle Aufmerksamkeit. Er ist ein hochtalentierter Regisseur und hat auch im richtigen Moment die sozialen und emotionalen Antennen. Er spürt die Menschen gut.
Was für eine Botschaft sollen die Zuschauer mitnehmen?
Anatole: Meine Güte, aus so vielen Gründen. Es ist ein Game Changer für die Schweiz, dass die erste Streaming-Koproduktion reinkommt. Ich finde es spannend, dass es ein schneller, brutaler Thriller ist, der in der Realität spielt und den totalen Gegensatz zur sauberen und schönen Schweiz darstellt. Diese Zutaten machen diesen Film für mich wahnsinnig attraktiv. Die globalen Gefühle, die der Film anspricht, werden universell verstanden und sind gut verankert in den Problematiken, die in unserer Welt gerade geschehen.
Dimitri: Der Film hat Geschwindigkeit, ist gefüllt mit Menschlichkeit und Liebe, mit Menschen, die strugglen. Der Film nimmt alle Gegensätze auf und nimmt den Zuschauer mit auf einen Roadtrip, von der Langstrasse durch die ganze Schweiz und wieder zurück. Dies gibt dem Film einen internationalen Charakter und das finde ich geil.
Anatole: Ja, ein wenig ein Entmystifizieren und Entglorifizieren der Schweiz. Spannend ist, dass es auf eine internationale Plattform kommt. Ich finde es auch ganz wichtig für den Wettbewerb und die Kreativität. Norwegen oder Dänemark sind der Schweiz ähnlich. Dort schauen von zehn skandinavischen Zuschauern fünf bis sechs skandinavische Produktionen, in der Schweiz gehen maximal zwei von zehn Zuschauern einen Schweizer Film schauen! Ich glaube, das hat auch damit zu tun, dass das Monopol die ganze Zeit beim Schweizer Fernsehen war. Dies bricht jetzt auf mit neuen Partnern wie CH Media und ist auch wichtig für die Schweizer Identität mit all ihren Immigrationsgenerationen.
Bilder: CH Media Diethelm Raphael, Mirjam Kluka, Garrick J. Lauterbach, © 2023 Ascot Elite Entertainment. All Rights Reserved.
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